Im Bergwerk des Dr. Leopold

Im Bergwerk des Dr. Leopold
Der Experte Herbert Giese schätzt Rudolf Leopolds legendäre Sammlung II: Für ihn "das Erlebnis meines Lebens".

Ich spreche von einem Bergwerk, weil es immer neue Stollen gibt", sagt Herbert Giese. "Noch ein Grafikschrank, noch eine Lade, noch ein Kasten tun sich auf, und erstaunliche Dinge purzeln heraus."
Seit Anfang September ist der Kunsthändler und Sachverständige fast täglich im einstigen Privathaus des 2010 verstorbenen Sammlers Rudolf Leopold zugange. Im Auftrag der Familie soll er ein Schätzgutachten zu der Sammlung erstellen, die Leopold nach der Gründung seines Museums 1994 aufgebaut hatte. "Es ist nicht einmal die Anzahl der Werke bekannt", sagt Giese. "Ich bin jetzt jetzt bei 2400 - nur Gemälde, Grafiken, Zeichnungen und Aquarelle."
Über den genauen Wert der Sammlung kann und darf Giese nichts Genaues sagen. Er lässt aber keinen Zweifel, dass "einiges auf uns zukommt - nicht nur bildermäßig, sondern auch wertmäßig." Was mit der Sammlung geschieht, ist ungeklärt - zu einem angekündigten "runden Tisch" gab es von Bund und Stadt Wien noch keine Kontaktaufnahme, lässt Leopolds Sohn Diethard auf Anfrage wissen.

Schätze

Im Bergwerk des Dr. Leopold

Leopolds erste Sammlung, die heute den Grundstock des Leopold Museums bildet, hatten Giese und sein Kollege Gerbert Frodl 1994 auf 575 Mio. € geschätzt. Die Republik zahlte 160 Mio. €, um die Werke in eine Stiftung einzubringen (für Giese "das beste Geschäft, das die Republik je als Kunsthändler gemacht hat.") .
Rudolf Leopold verwendete von diesem Geld rund 120 Mio. € für Kunstankäufe. "Vieles hat er schon vor 10, 15 Jahren ausgegeben, so dass zum Teil eine massive Wertsteigerung dazukommt, gerade bei Schiele, Klimt, Kokoschka, Waldmüller, Romako", sagt Giese. Als Grundlage seiner Schätzung nimmt er "den Mittelpreis zwischen dem, was jemand zahlen muss, wenn er es in einer Galerie kaufen will, und dem, was er bekommt, wenn er es verkaufen will."
Leopold kaufte viel - der Schwerpunkt der "Sammlung II" liegt laut Giese aber auf der Malerei zwischen 1800 und 1950. "Ich bin oft überrascht, dass man da ein Pechstein-Ölbild sieht, oder Beckmann-Grafiken, sodass man eigenes Museum damit aufmachen könnte, dazu Werke von Kollwitz und Barlach", schwärmt Giese. "Ich mache da eine Lade auf, und da ist ,Vampir II' von Edvard Munch drin, eine Lithografie, die heute nicht unter 600.000 -800.00 Dollar gehandelt wird. Solche Überraschungen gibt es dauernd."
Dass rund um die "Sammlung II" Provenienzstreitigkeiten entbrennen, kann Giese nicht ganz ausschließen - da Leopold ab Mitte der 90er stark sensibilisiert war, könne man aber sagen, "dass ein Großteil dessen, was jetzt in der Sammlung ist, auch mit Seitenblick auf die Provenienz eingekauft worden ist."
Nach Gieses Wunsch soll Leopolds "Sammlung II" öffentlich sichtbar bleiben, und man solle sich dazu eingehend mit dem Wesen des Sammlers beschäftigen. Leopold sei mit seinem intuitiven Blick "einer der letzten Saurier" gewesen, sagt Giese - "heute werden vor allem Labels gekauft, Bilder, wo signalartig erkennbar ist, welcher Künstler es ist."
Seinen Kunden empfiehlt der Händler neben Qualitätsmerkmalen wie dem Erhaltungszustand weiterhin die eigene Freude als Ratgeber beim Kauf. "Das garantiert, dass es auch bei einem späteren Verkauf jemanden gibt, der Freude daran hat."

Info

Giese und Schweiger stellen auf der Messe "Art & Antique" in der Wiener Hofburg" aus (5.-13. 11.). Parallel findet von 4.-13. 11. die Messe " WIK&AM" im Wiener Palais Ferstel/Palais Niederösterreich statt.

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