„Ich habe oft bis fünf Uhr Früh gesoffen – so lange, bis ich bewusstlos war“

„Ich habe oft bis fünf Uhr Früh gesoffen – so lange, bis ich bewusstlos war“
Joe Cocker blickt zurück – auf 50 Karriere-Jahre und ein Leben mit Rum, Tomaten und Blues.

Sie schicken mir erotische Songs, die heißen dann ,Steam‘ oder so. Aber ich bin keine 24 mehr, das kann ich nicht singen!“ Joe Cocker seufzt, erinnert sich im KURIER-Interview an den Entstehungsprozess seines morgen, Freitag, erscheinenden Albums „Fire It Up“. Und gibt offen zu, dass es ihm als reiner Interpret zunehmend schwer fällt, Songs für eine neue Platte zu finden. „Wenn ich Songwriter frage, ,Habt ihr was für mich?‘, orientieren sie sich daran, was ich früher gemacht habe. Aber ich bin jetzt 68!“ Deshalb hat er sich für „Fire It Up“ Titel gesucht, die zwar im Sound typisch Cocker, inhaltlich aber nachdenklicher sind. So ist etwa „Younger“ ein reumütige Lebensrückschau.

Woodstock

Was bedauert Cocker in seinem Leben? „Dass ich nie ein Instrument gelernt habe. Denn deshalb konnte ich nie Songs schreiben. Ich wollte Klavier lernen. Aber mein Vater sagte, in unserem Haus ist nicht einmal Platz, dass du dir den Mantel um die Schultern schwingst, und wollte kein Klavier haben.“

Sonst aber bereut der Woodstock-Veteran nicht viel. Auch nicht, dass er dieses Label seine ganze restliche Karriere lang nicht abschütteln konnte. „Es war ja das Konzert, das mich bekannt gemacht hat. Ich bin mit dem Hubschrauber eingeflogen und habe von oben diese Massen gesehen. Als unbekannter Act hatten wir es da zunächst schwer. Die Leute haben die Babys gefüttert und Hippie-Zeugs gemacht. Doch dann spielten wir ,Let’s Get Stoned‘, was in ihre Stimmung gepasst hat. Und von da an, speziell bei ,With A Little Help From My Friends‘, habe ich eine unglaubliche Energie gespürt.“

Depressionen

Die Alkoholsucht, in die er 1971 schlitterte, hätte Cocker gerne ausgelassen, denkt aber, dass sie „vermutlich unausweichlich“ war. „Blues-Sänger haben nun einmal etwas Schwermütiges an sich. Aber ich will mich nicht auf Depressionen ausreden. Es hat damit angefangen, dass ich nach der Show nicht alleine im Hotel bleiben wollte und ausgegangen bin. Aber später habe ich auch alleine gesoffen, oft bis fünf Uhr früh eine Flasche Rum geleert – bis ich bewusstlos war.“

Seit mehr als elf Jahren ist Cocker jetzt schon trocken, lebt mit seiner Frau Pam auf einer Farm in Colorado und genießt die Abgeschiedenheit: „Das ist am Rand der Wildnis. Die Bären würden bis in unseren Garten
kommen, wenn ich nicht zwei Hunde hätte. Nicht einmal mein Handy funktioniert dort, so kann ich total abschalten. Wir züchten seltene Tomatensorten und ich liebe dieses Leben.“

Im Winter liest Cocker viel. Am liebsten über Politik, Geschichte und Kriege, weil er verstehen will, warum anno 2012 in Syrien 35.000 Menschen sterben müssen und Frieden immer noch Utopie ist. Und weil er „ein echter Pazifist“ ist, hat er mit „I Come In Peace“ für „Fire It Up“ zwischen den erotischen Songs doch auch einen mit der richtigen Botschaft gefunden.

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