„Ich bin erstaunt, was ich mir alles erlauben kann!“

Jack White zeigt sich auf seinem neuen Album „Boarding House Reach“ hemmungslos experimentell.

„Als Musiker muss man sich fragen: ,Was ist das Falscheste, was ich an diesem Punkt in meinem Leben machen kann? Was kann ich angehen, das gefährlich ist?“

Für sein neues Album „Boarding House Reach“ hat Jack White genau das getan. Mit diesem Werk zeigt sich der 42-Jährige hemmungslos experimentell, mischt Samples, Synthesizer und elektronische Geräusche mit bissigen Gitarren-Riffs, wechselt (auch innerhalb eines Songs) zwischen Funk, Blues, Jazz und Hip-Hop. Und er schiebt Gedichte dazwischen, die über exotische Streicher oder zarte Gitarren gesprochen werden.

Aufwühlend

Das ist eine stilistische Bandbreite, die auf einem Album zusammengefasst erstmal irritiert, weil die verschiedenen Stimmungen der einzelnen Song zwar intensiv aber auch extrem unterschiedlich sind. Gelegentlich vergisst White – wie etwa bei „ Hypermisophoniac“ und „Get In The Mind Shaft“ – darauf, den ungezügelten Ausbruch von Kreativität und Ideen dem Song unterzuordnen. Vieles funktioniert aber auch prächtig: „Humoresque“ ist ein melancholischer Walzer, „Ice Station Zebra“ ein wütende Punk-Hip-Hop-Fusion mit jazzigen Einschüben. Und das großartige „Connected By Love“ ein aufwühlender Blues, mit dem White an die anderen Alben anschließt.

Aufgenommen hat der Amerikaner „Boarding House Reach“ in jeweils nur dreitägigen Sessions mit Musikern aus den Bands von Beyoncé, Q-Tip, Jay-Z und Kanye West in New York und Los Angeles. Aus den „vielen Stunden großartiger Musik“, die dabei rauskam, baute White dann in einem kleinen Mietapartment in der Nähe seines Hauses in Nashville daraus diese Songs.

„Ich bin erstaunt, was ich mir alles erlauben kann!“

Jack White mit Violinistin Lillie im Wiener Gasometer

 

„Ich mietete diese Wohnung, um Ruhe zu haben“, sagt er. „Ich habe zwar ein Studio im Haus, aber da kommen ständig Boten und Musiker vorbei, ständig ruft jemand von meinem Label Third Man an. Ich bin alle vierzehn Tage einmal in das Apartment verschwunden, ohne Telefon, war für niemanden erreichbar und keiner wusste, wo ich war. Es war großartig!“

Dort versuchte White auch, Songs ohne Instrumente zu schreiben: „ Ich sah diese Michael-Jackson-Dokumentation ,This Is It’. Er spielte nie ein Instrument und sagte Bandmitgliedern auch nicht, welche Noten sie spielen sollten, sondern summte ihnen vor, was er fühlte und wie er es haben wollte. Ich dachte, es ist großartig, Akkorde und Instrumente zu ignorieren und nur aus dem Kopf Melodien kommen zu lassen. Auch, weil ich in dem Apartment der Nachbarn wegen eh nicht laut werden durfte.“

Wahnsinnsriff

Dass „ Boarding House Reach“ einige seiner Hörer überfordern kann, weiß White: „Ich werde sicher die Reaktionen kriegen, dass sie sagen: ,Hast du vergessen, wie man ein Wahnsinnsriff schreibt?’ Als ob ich das könnte! Aber mein Job als Künstler, ist nicht, den einfachen Weg zu gehen und ein zweites ,Seven Nation Army’ zu schreiben. Ich muss dorthin gehen, wo mich die Musik hinzieht. Vor vielen Jahren wäre die einfache Option gewesen, bei den White Stripes zu bleiben, weil das gut funktioniert hat. Aber das kann ich nicht. Und ich bin ohnehin immer wieder erstaunt, was ich mir alles erlauben kann: ,Seven Nation Army’ hatte keinen Refrain. Nach allen Regeln der Kunst hätte das kein Hit sein dürfen, war es aber trotzdem.“

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