"Ich bin eine Ameise der Kunst"

Jonathan Meese deutet in der Wiener Galerie Krinzinger auf missverständliche Symbole in seinen neueren Bildern: "Das Hakenkreuz will nichts von mir!“
Jonathan Meese, derzeit in Wien und 2016 in Bayreuth, möchte kein Kunst-Guru sein.

Er ist ständig auf Propagandatour für seine Utopie einer „Diktatur der Kunst“: Jonathan Meese, gern als Provokateur gehandelt, stellt bis 26. Jänner in der Wiener Galerie Krinzinger neue Gemälde und Skulpturen aus. Dass er 2016 in Bayreuth den "Parsifal" inszenieren soll, sorgt bereits jetzt für Aufregung.KURIER: Ihre neuen Bilder sind überraschend dicht. Frühere Arbeiten wirkten schneller gemalt, nicht so vielschichtig.Jonathan Meese: Richtig, das ist im Moment so eine Phase, wo es mehr ins Ornamentale geht. Die Bilder sind verspielter, mit Sicherheit.Bei ihrem Werk geht es oft um aufgeladene Zeichen – eiserne Kreuze, Hakenkreuze. Kann so etwas zum Ornament werden?Ja, in der Kunst wird jedes Zeichen sofort zum Ornament. Es wird sofort entideologisiert – das ist ja das Tolle an Kunst: Sie frisst jede Ideologie auf. Nur wenn ich eine ideologische Brille aufhabe, habe ich eventuell ein Problem damit. Es stellt sich sowieso die Frage, ob es böse Symbole gibt – ich bezweifle das. Manche sagen, das Eiserne Kreuz steht für Krieg. Ich guck’ da wie ein Baby drauf und sage, das sieht super aus – wie ein Lolli.Wie sehr liegt Ihnen dran, dass das System Kunst aus dem abgezirkelten Raum der Galerien und Museen in die Welt dringt?Es ist die Lösung aller Probleme, wenn die Kunst sich ausdehnt und alles entideologisiert. Das ist auch mit Diktatur gemeint: Hier wird keine von Menschen geführte Gesellschaftsform angestrebt.Der Schriftsteller Antonio Fian prägte den Begriff „Erlösungskünstler“ für Protagonisten wie Otto Muehl oder Hermann Nitsch, die nach dem Motto operierten: Wenn meine Kunst sich durchsetzt, wird alles gut. Trifft der Begriff auch auf Sie zu?Wenn ich sage „meine“ und „deine“ Kunst, bin ich schon total ideologisch, da sage ich „ich bin wichtiger als du“. Kunst ist kein Guruismus. Ich bin eine Ameise der Kunst, kein Chef.Um welche Art von Erlösung geht es denn bei Richard Wagners „Parsifal“?Ich glaube, dass es ein Missverständnis ist, dass es da um Religiosität geht. Ich glaube, dass es da tatsächlich um die Kunst geht, die herrschen soll und die erlösen wird. Es geht darum, dass die Kunst geiler ist, wichtiger, elementarer, präziser und radikaler als alles andere. Die Kunst steht über der Religion, über der Politik, über dem Ich, und das wird in Parsifal verkörpert, und bei Richard Wagner überhaupt. Es gibt halt immer Leute, die das instrumentalisieren wollen, aber das ist falsch. Bei Parsifal – ich mach' das ja wahrscheinlich 2016 ...Wahrscheinlich?Da müssen noch einige Sachen geklärt werden, aber eigentlich macht man’s. Ich freue mich irrsinnig darauf und werde ganz sachlich da rangehen, liebevoll, wie ein Kind.

Aber Bayreuth ist symbolisch sensibles Terrain. Heuer ist Sänger Evgeny Nikitin wegen angeblicher Nazi-Tattoos von seiner Rolle zurückgetreten. Ideologiefrei an die Sache heranzugehen, stelle ich mir schwierig vor.Ich lasse das kommen. Ich werde meinen Dienst vollziehen, und dann wird’s super. Natürlich wird’s mal Stress geben, aber das gehört dazu. Richard Wagner steht nur für Kunst – deswegen kann man sich dieser Figur auch hingeben. Der Typ sieht cool aus, den kann man gut malen und zeichnen, der hat sein Leben der Kunst gewidmet. Super.Wenn sich ein Mensch zum Fürsprecher der Kunst macht, kann man Irrwege nie ausschließen. Es gibt viele, bei denen die Utopie ins Totalitäre kippte.Diese Künstler sind dem Rattenfänger Realität aufgesessen. Auch Beuys, der hat plötzlich der Kunst nicht mehr vertraut und ist Politiker geworden. Diese Künstler gibt es, die krank werden, verrückt werden, sich mit der Kunst verwechseln.Kann Ihnen das nie passieren?Garantieren kann ich das nicht, aber ich habe Freunde, die mich von gewissen Dingen abschotten. Für mich ist Kunst tatsächlich eine Militärorganisation, wo ich meinen Dienst zu erfüllen habe. Einen Befehl aus der Politik muss ich umschiffen.Und ein Befehl aus Bayreuth?Ist ein eindeutiger Befehl aus der Kunst. Es kann aber sein, dass man auf Ideologen trifft. Die muss man eben aushebeln.

Bilder von der Ausstellung

"Ich bin eine Ameise der Kunst"

"Ich bin eine Ameise der Kunst"

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"Ich bin eine Ameise der Kunst"

"Ich bin eine Ameise der Kunst"

Der Künstler Jonathan Meese wurde 1970 in Tokio als Sohn einer deutschen Mutter und eines walisischen Vaters geboren. Die Berlin Biennale 1998 brachte ihm erste große Anerkennung in der Kunstwelt. Heute ist er als Maler und Bildhauer, Bühnenbildner und Performancekünstler ein gefragter Mann. 2006 rief er erstmals in einem Manifest die „Diktatur der Kunst“ aus. Meese lebt und arbeitet in Berlin.

Info: Die Ausstellung „ERZHAGENERZ ERZVONERZ ERZTRONEJERZ“ LIEBT NUR DEN GESICHTSAUSDRUCK „KUNST“; VOOM. (ERZTRÜFFELSCHWEINCHEN „SCHLAU“ GEFÄLLT NUR DER KUNST, BASTA) KUNST UNGLEICH EXTREMSPORT....“ ist 30.11. bis 26.1. 2013 in der Galerie Krinzinger, Wien, zu sehen.

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