Hollywoods digitale Werkstatt: Für immer jung

Das Alter ist nur mehr Frage der digitalen Kunst. Wo führt das die Filmbranche hin?

Der Film „Looper“ ist, höflich ausgedrückt, nicht unbedingt ein Meisterwerk. In dem recht konventionellen Science-Fiction-Streifen aus dem Jahr 2012 tritt Bruce Willis als Profikiller gegen sein jüngeres Ich an, das von Joseph Gordon-Levitt gespielt wird.

Zumindest bedient sich der Film einer recht konsistenten Zeitreise-Logik: Der junge Protagonist kommuniziert mit seiner älteren Version, indem er sich Nachrichten in den Arm ritzt, die dann als Narben bei Willis Figur erscheinen. Ende 2019 wird in Ang Lees „Gemini Man“ erneut ein älterer Auftragskiller gegen eine jüngere und fittere Version seiner selbst kämpfen.

Fortschritte mit CGI

Der Unterschied : Sieben Jahre nach „Looper“ spielt Will Smith dank digitaler Verjüngungstechnik gleich beide Hauptfiguren – die 25 Jahre Altersunterschied trennt. Die Technik der digitale Verjüngung mit CGI-Effekten hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Aus Hollywood ist sie aktuell nicht mehr wegzudenken, speziell bei Filmreihen wie dem Marvel-Universum, die mit Zeitsprüngen arbeiten.

Im März porträtierte Samuel L. Jackson den Agenten Nick Fury einen ganzen Film lang im Alter von 46 Jahren, im April spielte er dieselbe Figur in einem anderen Film dann wieder im Alter von über 70.

Ähnliches passierte mit Michael Douglas. Die Technik macht es teilweise einfach, den Überblick zu verlieren, wie alt manche Schauspieler in der Realität sind. Das Alter von Schauspielern zu verändern ist genau genommen keine neue Technik. Maskenbildner tun seit das Ewigkeiten. Und seit digitale Effekte Einzug in die Filmwelt gehalten haben, werden diese zur Unterstützung herangezogen. Aber diese Versuche waren immer davon gekennzeichnet, dass sie Grenzen hatten.

Wollte man realistisch bleiben, war die Anzahl an Jahren, die man sinnvoll manipulieren konnte, endlich. Und gröbere digitale Eingriffe wie in „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ waren offensichtlich und funktionierten nur in Filmen mit Märchencharakter. Das hat sich geändert.

Die Akzeptanzlücke

Der Moment, wo digitale Verjüngungstechniken gut genug wurden, um in Hollywood-Produktionen sinnvoll eingesetzt zu werden, ist nicht leicht zu bestimmen.

Aber es gibt gute Argumente, dass es vor circa frei Jahren begann. 2016 spielte Robert Downey Jr. in einer Szene in „Captain America: Civil War“ eine Version von Iron Man im Teenager-Alter.

Ein Jahr später verjüngte Marvel Kurt Russel in „Guardians at the Galaxy 2“ digital. Und in den neueren Star-Wars-Filmen trat mit Grand Moff Tarkin sogar eine Figur auf, deren Schauspieler Peter Cushing 1994 starb.

Die Filmemacher ließen ihn einfach digital am Computer wieder auferstehen. Die Ausbreitung dieser Technik bleibt nicht ohne Kritik. Filmkritiker schrieben damals, dass man eher das Gefühl habe, einer Imitation einer Person zuzuschauen als einem realen Menschen. Im Englischen gibt es dafür den Begriff des „uncanny valley“, im Deutschen auch „Akzeptanzlücke“ genannt: Perfekte Androiden sind genausowenig angsteinflößend wie klar erkennbare Roboter.

Aber viele Menschen empfinden bei guten, aber imperfekten digitalen Versionen von menschlichen Gesichtern ein Unbehagen. Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Etwas, dessen sich Regisseure durchaus bewusst sind.

Im Herbst erscheint der lang erwartete Gangsterfilm „The Irishman“. Martin Scorsese kehrt mit dem Projekt, das sich um den Mafiakiller Frank Sheeran dreht und über mehrere Dekaden erstreckt, in das Crime-Genre zurück. Der Regisseur entschied sich dazu, keine unterschiedlichen Schauspieler für verschiedene Altersstufen zu verwenden, sondern Robert De Niro oder Al Pacino lieber digital zu verändern.

In einem Podcast schilderte Scorsese zuletzt seine Probleme mit der Technik. Sie verändere den Ausdruck in den Augen der Schauspieler, was wiederum die Performance beeinflusse. Als er im Schneideraum saß, hätte er gemerkt, dass in den digital veränderten Augen seiner Figuren einfach etwas gefehlt hätte. „War es Intensität? War es Gravitas? War es Bedrohlichkeit? Ich weiß es nicht.“

Im Fall von bekannten Schauspielern Will Smith, Al Pacino oder Robert De Niro kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Der Zuschauer weiß, wie sie vor 25 Jahren ausgeschaut haben. Will Smith ist als „Prinz von Bei-Air“ vielen noch vor dem geistigen Augen. Der digital verjüngte Smith aus „Gemini Man“ tritt damit sogar nicht nur gegen die Akzeptanzlücke und sein älteres Ich an, sondern auch gegen die Erinnerung des Zuschauers.

Veränderte Castings

Abgesehen von den technischen Fragen verändern die neuen technischen Möglichkeiten auch Casting-Entscheidungen. Mit „Der Pate 2“ konnte Robert De Niro für seine Rolle als junger Vito Corleone noch einen Oscar für den besten Nebendarsteller gewinnen. Heute würde die Rolle vielleicht von einem digital verjüngten Marlon Brando gespielt.

Dasselbe gilt wohl für das oben erwähnte Beispiel „Looper“. Ob das eines Tages auch auf Rollen übergreifen wird, die nichts mit Zeitsprüngen zu tun haben und damit die Chancen junger Schauspieler ernsthaft beeinträchtigen wird, ist aktuell schwer zu beantworten.

Genauso wie die Frage, warum die Verjüngungstechnik fast nur bei Männern zum Einsatz kommt. Das Vordringen der digitalen Verjüngungstechniken und das weit verbreitete Unbehagen über sie erzählt einiges über die Möglichkeiten der modernen Filmindustrie, aber auch der Technik im Allgemeinen.

Heute sind Dinge möglich, die vor einigen Jahren noch undenkbar erschienen. Aber sie werfen eben auch Fragen auf. Zum Beispiel, ob man alles, was man technisch machen kann, auch machen sollte.

Und was den Kern Filmfigur eigentlich ausmacht – ist ein digital verjüngter Robert Downey Jr. mehr der junge Tony Stark als ein jüngerer Schauspieler, der ihm ähnlich sieht? Und nicht zuletzt wirft die Technik auch die Frage auf, ob es so etwas wie eine letzte Schwelle gibt, die sich digital nicht überwinden lässt.

Eventuell ist Alter doch mehr als die Summe an Falten oder Flecken auf der Haut und Jugend doch mit einem gewissen Hunger und Eifer verbunden, die sich auch in den Gesichtern widerspiegelt.

Eventuell wird CGI das eines Tages wirklich abbilden können. Siehe auch die beunruhigenden Entwicklungen im Bereich der Deep Fakes, also gefälschten Videos. Aber vielleicht wird dieser letzte Schritt aber auch für immer dem realen Menschen vorbehalten bleiben.

(Von Jonas Vogt)

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