Hollywood: Kritik am Heldenüberschuss

Das erste Superheldenteam der Marvel Comics: Die „Fantastic Four“ erforschen neue Welten und verwandeln sich dabei in tödliche Waffen – ab Donnerstag im Kino
Auf "Ant-Man" folgt "Fantastic Four" – Nun regt sich Kritik am Heldenüberschuss.

Wenn Sie heute 45 Jahre alt sind und männlich, dann haben Sie gute Aussichten: Sie werden bis zu Ihrem statistischen Lebensende noch 212 Superhelden-Filme aus Hollywood zu sehen bekommen. Sind Sie weiblich, leben Sie voraussichtlich länger: Es stehen Ihnen noch 236 Superhelden-Filme bevor.

Das kommt Ihnen viel vor? Ist es auch.

Doch nachdem allein in den vergangenen zehn Jahren 56 Filme aus dem Superhelden-Comic-Universum produziert wurden, scheint der Output in Zukunft anzusteigen. Vermutet zumindest US-Blogger Chris Kirk des Online-Magazins Slate, der einen Taschenrechner entwarf, mit dem man seine persönliche Superhelden-Quote zu Lebzeiten ausrechnen kann.

Doch es reicht schon, wenn man die nächsten fünf Jahre erlebt: Bis 2020 planen die großen Hollywood-Studios über 25 weitere Filme aus dem Reich der Superhelden, allein elf davon stammen aus den Marvel Comics. Dazu zählen "Ant-Man", "X-Men", "Spider-Man", "Captain America" oder – aus dem Hause der DC Comics – "Batman" und "Superman".

Ende Juli ging Insekten-Held "Ant-Man" an den Start – und liegt derzeit in den USA mit seinen Einspielergebnissen auf Platz drei. Kommende Woche biegen die nächsten Superhelden um die Ecke: Die Verfilmung von Marvels legendärem ersten Superheldenteam "Fantastic Four" (Kinostart: Donnerstag) soll die Kassen zum Klingen bringen.

Zwar zeigte sich die US-Kritik von den "Fantastic Four" wenig begeistert.

Man sollte sie eher die "Unfantastic Four" nennen, beschwerte sich der Hollywood Reporter und fügte hinzu, der gesamte Streifen fühle sich an wie ein 100-Minuten-Trailer zu einem Film, der dann nicht stattfinde. Die Produzenten scheinen aber (noch) zuversichtlich: Für Juli 2017 ist "Fantastic Four 2" geplant.

Davor erleben wir aber noch das Jahr 2016 mit den Premieren von mindestens sieben weiteren Superhelden-Filmen – das sind doppelt so viel wie im Vorjahr: Im Februar beispielsweise spielt Ryan Reynolds "Deadpool" und wirft sich zu diesem Zweck in ein rotes Leder-Outfit ("Sie fragen sich, warum ich einen roten Anzug trage? Damit mich die bösen Typen nicht bluten sehen.")

Im März 2016 sucht uns "Batman v Superman: Dawn of Justice" heim, dicht gefolgt von "Captain America" und "X-Men: Apocalypse" im Mai. Ohnehin war es nicht zuletzt der Erfolg von Bryan Singers erstem "X-Men" (2000), der das Superhelden-Genre wieder so richtig in Schwung brachte und Hollywood eine sichere Erfolgsformel versprach. Doch während zwischen 2011 und 2015 drei bis vier Superhelden pro Jahr auf den Markt kamen, sind es zwischen 2016 und 2017 bereits 7 bis 8. Vorausgesetzt, der Produktionsplan ändert sich nicht aufgrund schmerzhafter Flops. Denn es stellt sich die Frage: Wie viele Superhelden verträgt der Mensch?

Blockbuster

Beobachter der Unterhaltungsindustrie beklagen Hollywoods Liebe zu den sogenannten "Franchise-Filmen" – üblicherweise Blockbuster mit bis zu 200 Millionen Dollar Budget – die, um das ökonomische Risiko zu minimieren,auf "bewährtes" Material setzten und am liebsten in Serie gehen – sei das nun mit den Superhelden aus dem Marvel-Universum, dem "Star Wars"-Imperium, den "Hunger Games", der "Fast & Furios"-Reihe oder Ablegern von "Jurassic Park". Zwar lässt sich der unmittelbare Erfolg nicht von der Hand weisen: Gerade erst konnte das Universal-Studio verkünden, dass es dank u. a. "Jurassic World" und "Fast & Furious 7" mit 5,53 Milliarden Dollar Einspielergebnissen in den ersten sieben Monaten einen Rekord aufstellen konnte. Trotzdem blicken viele Hollywood-Insider düster in die fernere Zukunft und beklagen die Produktion eines Franchise-Einheitsbreis, der das Publikum ermüde und wenig Platz für ein Kino jenseits des Blockbusters lasse.

Desaster

Besonders das Katastrophenjahr 2014, das der Unterhaltungsindustrie die schlechtesten Einspielergebnisse seit 1977 einbrachte, schürt die Skepsis. Wenig Anlass zu Optimismus gab etwa die Einschätzung des Box-Office-Analysten Doug Creutz: Bereits im Frühjahr veröffentlichte Creutz ein branchenintern viel zitiertes "Memo to Hollywood" mit dem aussagekräftigen Titel "You Can’t All Be Successful Doing the Same Thing" ("Wenn ihr alle das gleiche macht, werdet ihr keinen Erfolg haben"). Gerade die Explosion des Superhelden-Genre gab Creutz besonderen Anlass zur Sorge, denn, so seine Beobachtung: Wenn die Anzahl der Filme in einem Genre steigt, nimmt die Durchschnittsquote der Einspielergebnisse pro Film ab. Oder, wie es ein anderer Beobachter formuliert: Wenn alle vom selben Kuchen essen, wird das Stück kleiner.

Doch nicht alle Branchen-Auskenner sehen schwarz: Als viel Lärm um wenig empfindet David Poland von Movie City News den Abgesang auf das Hollywood-Kino. Seiner Ansicht nach, gebe es noch genügend Nicht-Franchise-Filme mit großem Budget und auf hohem Niveau – und führt Filme wie Luc Bessons "Lucy", David Finchers "Gone Girl" oder Wes Andersons "The Grand Budapest Hotel" ins Treffen. Abwechslung gebe es also noch genug im Kino – auch abseits der Superhelden.

Kommentare