Aber vielleicht reicht das Etikett „feministisch“ schon aus, wenn man Männer, die von Wagner bis Hitler verehrt wurden, als vertrottelt und verweichlicht hinstellt. Jan Bosse, der 2018 an der Burg die Ferdinand-Schmalz-Überschreibung „jedermann (stirbt)“ aus der Taufe gehoben hat, räumt also mit Mythen auf. Und so kann man über die burgunderrot gewandete Rüpelbande wie auch über Wotan, der seine dichten Felle davonschwimmen sieht, wirklich herzhaft lachen. Weil es aber keine echte Ausdifferenzierung der Charaktere gibt, bleibt die „hildensaga“, was auch die mittelhochdeutsche Vorlage war: ein guter Fantasy-Plot.
Quietschend quasselnd
Ferdinand Schmalz beginnt sein Stück mit dem Zusammenprall von Kriemhild mit Brünhild, die ihr Bruder Gunther auf Island „erobert“ hat. Dies gelang aber nur mit einem Trick: Der nahezu unbesiegbare Siegfried stand seinem Schwager in spe bei den drei Wettkämpfen gegen die Tochter von „Papa“ Wotan hilfreich zur Seite – unsichtbar ob einer Tarnkappe, die eigentlich ein camouflierender Mantel war. Bevor der Streit eskaliert, schreiten drei Nornen ein, die im Akademietheater vom Orchestergraben aus die Bühne entern.
Um der Geschichte eine andere Wendung geben zu können, spulen sie, den roten Faden nie aus dem Auge verlierend, quietschend quasselnd die Geschichte zum Anfang zurück. Das hätte auch Quentin Tarantino einfallen können. Das Team rund um Jan Bosse dürfte sich von dessen Rache-Filmsaga „Kill Bill“ – auch schon 20 Jahre alt – inspiriert haben lassen: Die Bodysuits von Elisa Plüss, Zeynep Buyraç und Nina Siewert sind zwar grellorange, aber genauso hauteng wie das gelbe Lederoutfit von Uma Thurman. Und Oliver Nägele als Prachtexemplar eines Wotan-Fossils, das verzweifelt die alte Ordnung aufrecht erhalten will, trägt – wie einst Daryl Hannah – eine kecke Augenklappe.
Die Nornen beginnen also damit, dass Siegfried um Brünhild wirbt. Der raffinierte wie bedrohliche Netz-Vorhang mit orange glitzernden Transparent-Plastik-Streifen von Bühnenbildner Stéphane Laimé hebt sich – und gibt den Blick auf ein Island frei, das im schneeweißen Vollbad-Schaum versunken ist.
Blond wie eine Semmel
Ein Mann im Atomkraftwerk-Schutzanzug gleitet herab, legt seinen Panzer ab und steht im Show-Kostüm quasi nackt da. Gemeinsam stimmen Julia Windischbauer im blütenweißen Kleid der Unschuld (Kostüme von Kathrin Plath) und Nils Strunk, als Barde blond wie eine Semmel, „Heroes“ von David Bowie an: „I, I will be queen, and you, you will be king ...“ Doch die Nornen warnen. Und so wird es nichts aus dem Paar.
Später, in Worms, darf Siegfried, in der Inszenierung von Bosse ein affektierter, im wattierten Anorak aufgeplusterter Schönling, doch noch über die in einem Gitterkäfig gefangene Brünhild herfallen. Weil Gunther, ein Kasperl von König, nicht Manns genug ist, die Ehe zu vollziehen. Häusliche Gewalt – samt Vergewaltigung.
Brünhild, der Superkräfte beraubt, schreit ihre Verzweiflung hinaus. Und die Nornen öffnen Kriemhild die Augen. Diese hat bis dahin – ähnlich zu der ebenfalls von Katharina Lorenz verkörperten Genia in „Das weite Land“ – still und zurückgezogen den Betrug erduldet. Nun aber – wir sind beim Ausgangspunkt angelangt – „verbrüdern“ sich die Schwägerinnen. Julia Windischbauer, neu im Ensemble, trägt nun das gleiche blumengemusterte Kleid wie Katharina Lorenz. Und im Wald hebt ein Schlachten an.
Ferdinand Schmalz hat in seinen archaisch anmutenden Text ein paar Anspielungen auf den Klimawandel und die Festung Europa eingebaut, die präzise serviert werden. Gunther Eckes als Giselher und Tim Werths als Gernot dürfen die tollpatschigen Deppen geben, Rainer Galke ist als Hagen ein gar finsterer Hell’s-Angel-Gesell, Dietmar König als Gunther ein lächerlicher Hampelmann. Nach der Pause zieht es sich ein bisschen (weil es ernster wird), aber es gibt noch ein fulminantes Finale.
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