Hightech enträtselt alten Meister

Elke Oberthaler und Sabine Pénot haben Pieter Bruegels Tafelbilder durchleuchtet und ihnen einige Geheimnisse entlockt
Kunstgeschichtler durchleuchten Bruegels Tafelbilder mithilfe naturwissenschaftlicher Methoden.

Mit spitzen, behandschuhten Fingern greifen Elke Oberthaler und Sabine Pénot nach der "Bekehrung Pauli". Obwohl das Tafelbild von Pieter Bruegel dem Älteren besser nicht bewegt werden sollte – wie übrigens jedes dieser bald 500 Jahre alten Kunstwerke – haben die beiden Kunstgeschichtlerinnen das Gemälde in die Werkstätte des Kunsthistorische Museums (KHM) gebracht. Grund der Übersiedlung: Das Gemälde wurde mit Hilfe neuester, technologischer, nicht invasiver Untersuchungsmethoden erforscht. Kooperationspartner dabei ist niemand geringerer als die Getty Foundation aus den USA.

"Infrarotreflektografie, Auflichtaufnahmen, Streiflicht, UV-Fluoreszenz." Oberthaler, die an der Universität für Angewandte Kunst Restaurierung und Konservierung studiert hat, kommt in Fahrt, wenn sie darüber erzählt, mit welchen Tricks sie und ihre Kollegen den Tafelbildern von Bruegel ihre Geheimnisse entlocken. Der Fokus dieser Getty Panel Initiative genannten Aktion, die seit mehr als zwei Jahren läuft, liegt auf der Analyse der strukturellen Beschaffenheit der Tafelbilder und ihres Erhaltungszustandes. Denn Holz bewegt sich."Das ist eine Belastung für das Bild", sagt Oberthaler. "Und diese Bewegung konnten wir jetzt erstmals messen."

Von wegen verstaubt

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brueghel
Ein Museum gilt manchmal als beschaulicher, vielleicht sogar verstaubter Ort, an dem Kunstwerke wohlgeordnet präsentiert sind, von denen man ohnedies schon alles weiß. So das Klischee. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt aber, dass dieser Eindruck täuscht: Das Museum, das aus den Sammlungen der Habsburger hervorging, ist neben der Universität die größte heimische Forschungseinrichtung für Kunstgeschichte. Etwa 75 Wissenschafter arbeiten an 30 Forschungsprojekten.

Damit zurück ins Labor: Beim Durchleuchten der Bruegels ist so einiges ans Licht gekommen, was bisher ins Reich der Spekulation gehörte, erzählt Oberthaler: So wissen die Forscher jetzt, "dass Bruegel 25 bis 30 Zentimeter breite Bretter, die mit Holzdübeln ganz ohne Ritzen zusammengefügt wurden, für seine Tafelbilder verwendet hat". Weil die Dübel im immer gleichen Abstand eingesetzt wurden, konnten die Wissenschaftler auch ein Mutmaßung bestätigen: "Bei der ,Bekehrung Pauli‘ gab es den Verdacht, dass das Bild beschnitten worden ist", sagt Oberthaler. Und tatsächlich: Brett-Breite und Dübel-Abstände, die an der linken Seite des Bildes von der Norm abweichen, belegen, dass das Bild früher breiter gewesen sein muss.

Und noch etwas haben die neuen Untersuchungsmethoden aus dem Reich der Naturwissenschaften enthüllt: "Durch Infrarot wurden vorherige Entwürfe und verworfene Versionen sichtbar", erzählt die Kuratorin in der Gemäldegalerie, Sabine Pénot.

Vorgestellt wurden die Resultate übrigens auf einer Forschungskonferenz im KHM. "Die neuen Erkenntnisse sollen in eine große Bruegel-Ausstellung im Herbst 2018 einfließen", kündigt Generaldirektorin Sabine Haag an und hält ein Plädoyer für die Wissenschaft am Museum: "Forschung ist lebendig und spannend, sie hilft uns dabei, die Objekte besser zu verstehen. Und damit auch unsere Geschichte und Identität."

Pieter Bruegel der Ältere

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Zur Person

Mit Werken wie „Der Turmbau zu Babel“, „Das Schlaraffenland“, „Bauernhochzeit“ oder „Winterlandschaft mit Eisläufern und Vogelfalle“ ist er fest im kollektiven Bewusstsein verankert: Pieter Bruegel der Ältere, genannt Bauernbruegel oder de Drol (der Drollige), war ein Renaissance-Maler, der 1525 in Sonen Breugel in den Niederlanden zur Welt kam. Sein Handwerk erlernte er bei P. Coecke van Aelst in Antwerpen. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war er der bedeutendste niederländische Maler.

Bäuerliches Leben

Er schuf Genre- und Landschaftsbilder, in denen sich bilderbuchartig das bäuerliche Alltagsleben spiegelt. Zunächst sind seine Bilder von zahlreichen kleinen Figuren bevölkert. Später werden die Kompositionen großzügiger und in Perspektive und Lichtsituation einheitlicher. Erhalten sind etwa 40 Gemälde – zwölf davon in Wien –, mehr als 100 Handzeichnungen und 300 Vorlagen für Kupferstiche. 1569 starb Bruegel in Brüssel. Seine Begabung lebte in den Söhnen Jan und Pieter weiter.

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