Kamerun will das Publikum mit abstrakten Bildern fordern. Er will ausprobieren und ausloten: „Ich bin jemand, der nicht auf Kontrolle und Grenzen steht“, sagt er.
Bis zur Premiere – sie hätte am Donnerstag, den 17. Februar stattfinden sollen, wurde aber auf Grund eines COVID-19-Falles im Ensemble in den April verschoben – gibt es noch einiges zu erledigen, nachzuschärfen, wie der Deutsche gelassen, aber auch selbstkritisch anmerkt. "Es gibt viele Stellschrauben, die es zu bedienen gibt. Das kann glücken, oder auch nicht."
Viel los, wenig Text
Die Bühne im Werk X verwandelt Kamerun bei seiner Konzertinstallation zum „Konfliktüberwindungszentrum“, wie er am Beginn des Abends sagt. Er selbst stellt sich dem Publikum als "neutrale Instanz" vor, der vom Bühnenrand aus die jungen Schauspierlinnen und Schauspieler mit Musik versorgt. An Kameruns Seite: Der am Klavier und Synthesizer agierende Komponist PC Nackt sowie Kristian Lind am Kontrabass.
Auf der Bühne spielt sich dann so einiges ab – vieles davon gleichzeitig, so dass man als Zusehender oft nie genau weiß, auf welchen Teil der Inszenierung man seinen Blick richten soll. Einige Szenen werden zusätzlich noch mit Kameras eingefangen. Diese Live-Bilder werden dann auf die Wand oberhalb der Bühne projiziert. "Ich denke bei meinen Arbeiten fürs Theater immer sehr „lynchig“, sagt Kamerun. Mit "lynchig" meint er die Arbeiten des großen US-Regisseurs David Lynch, der in seinen Filmen stets bewusst mit gewohnten Erzählstrukturen bricht.
Gesprochen wird im Stück wenig. Vereinzelt hält die Schauspielerin Ines Schiller einen Monolog. Sie erzählt von Machtmissbrauch, Unterwerfung und scheinbar festgefahrenen Strukturen - von "Ich liebe meinen Kaiser" bis hin zu "Ich liebe meinen Kanzler" ist es nicht weit. „Macht und dessen Missbrauch gilt als Geißel der Menschheit“, steht dazu im Pressetext.
Schlaflied
Die Tänzerin Livia Khazanehdari tänzelt leichtfüßig während des rund 70 Minuten dauernden Abends zwischen den Bühnenelementen (mehrere durchsichtige Plexiglaswände) herum. Ihre eingangs zu sehende Zelt-Performance ist sehr gelungen. Marika Lichter taucht immer wieder aus dem Nichts auf - und singt wunderschön. Ihre Figur heißt „Große Erinnerung“. Sie erinnert sich über gewisse Lieder an die Vergangenheit. Sie singt zum Beispiel ein jüdisches Schlaflied oder „Moorsoldaten“, ein Lied, das einst von Häftlingen des Konzentrationslagers Börgermoor gesungen wurde. Zu hören bekommt man das alles via Kopfhörer (jeder Besucher bekommt einen zur Verfügung gestellt), was den Abend dringlicher, noch intensiver macht.
"Ich bin erstaunt, wie dunkel und düster das Stück geworden ist", sagt Kamerun und fragt mich: "Ist es zu depressiv?". "Nein", antworte ich. "Aber es ist wie ein Albtraum, der einen länger begleitet".
INFOS: Auf Grund eines COVID-19-Falles im Ensemble musste die Premiere am 17. Februar und die weiteren Termine in den April verschoben werden.
Inszenierung & Text: Schorsch Kamerun
Bühne & Kostüm: Katja Eichbaum
Musik: PC Nackt, Schorsch Kamerun
Dramaturgie: Hannah Lioba Egenolf
Regieassistenz: Alina Hainig
Bühnenbildassistenz: Selina Nowak
Kostümassistenz: Sophie Tautorus
Mit: Damaris-Katrin Dumitru, Jakob Eder, Maria Christina Felzmann, Selina Fischer, Damaris Henn, Patrick Isopp, Ines Schiller, Schorsch Kamerun, Livia Khazanehdari, Marika Lichter, Kristian Lind, PC Nackt, Melis Senozan, Viktoria Smole, Maximilian Steinacker, Conny Unger, Rebecca Vogel
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