Herbert W. Franke: Den Neugierigen gehört die Welt
Kunst hat immer mit Mathematik zu tun, soll Herbert W. Franke einmal gesagt haben. Der österreichische Medienkunstpionier reagierte damit auf seine Kritiker, die sich damals, in den 1950er-Jahren sicher waren, dass sich Maschinen nicht dafür eignen würden, Kunst zu schaffen. Aber genau diese Symbiose zwischen Mensch und Maschine, Kunst und Wissenschaft lebte Franke sein ganzes Leben lang vor. Nachzusehen ist das in einer kürzlich im Linzer Francisco Carolinum eröffneten Ausstellung, die sich spielerisch mit dem „Visionär" auseinandersetzt.
Großrechner
Geboren wurde Franke 1927 in Wien, wo er auch Physik, Chemie und Philosophie studierte und 1950 mit einem Thema der theoretischen Physik (Elektronenoptik) zum Doktor der Philosophie promovierte. Anschließend war er von 1951 bis 1956 bei der Firma Siemens in Erlangen tätig, wo er an der Spitze der Forschung tätig war. Vor allem die ersten und noch raumfüllenden Computer haben es ihm angetan. Er erkannte früh, dass man diese neuen Technologien immer auch für andere Zwecke nutzen kann – unter anderem auch für Kunst. Und so wurde Franke zum Computerkünstler der ersten Stunde - er experimentierte 1952 zunächst mit generativer Fotografie, nutzte aber bereits 1954 zuerst einen analogen Computer und dann ab den sechziger Jahren die ersten Großrechner für seine abstrakte „algorithmische“ Kunst nach mathematischen Prinzipien. Bereits 1967 entwickelte Herbert W. Franke gemeinsam mit dem Programmierer Georg Färber einen Algorithmus, der sich überlappende, verbundene Vierecke zeichnete. Heutzutage werden diese Arbeiten als Pionierleistung im Bereich der derzeit in aller Munde befindlichen NFT-Kunst gefeiert.
Dass dem 95-Jährigen nun ausgerechnet in Linz eine umfassende Schau gewidmet ist, ist kein Zufall. Denn Franke ist mit der oberösterreichischen Landeshauptstadt eng verbunden. Aus der Idee einer Computerkunstschau, die Franke ursprünglich für das Wiener Künstlerhaus entwarf, entstand 1979 in Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Intendant des ORF-Landesstudios Oberösterreich, Hannes Leopoldseder († 2021), das Ars Electronica Festival.
Höhlenforscher
Seinem Interesse am Inneren vieler Dinge ist er auch als Höhlenforscher nachgegangen, wie man in der Ausstellung gleich zu Beginn nachlesen und -sehen kann. Die Erkenntnis, "der Altersbestimmung von Stalagmiten mit Hilfe der C14-Methode, aber auch seine theoretisch hergeleitete Annahme von Höhlen auf dem Mars werden wohl als seine größte wissenschaftliche Leistung angesehen", heißt es im Ausstellungstext.
Geht man einen Raum weiter, macht man dann mit einer anderen Welt von Franke Bekanntschaft: seiner "Z-Galaxy". Dabei handelt es sich um einer mit seiner Frau Susanne Päch aufgebauten und betriebenen 3D-Welt, einem Areal wechselnder Ausstellungen auf der Internet-Plattform Active Worlds.
Sci-Fi-Autor
Die unendlichen Möglichkeiten, die die Zukunft bereithalten könnte, hat er auch in seinen zahlreichen Science-Fiction-Geschichten ausgelotet. Dass er diese überhaupt veröffentlichte, geschah eher zufällig, wie die Kuratorin Genoveva Rückert bei einem Ausstellungs-Rundgang dem KURIER erzählt. Der Verleger Wilhelm Goldmann wollte, so Rückert, in Deutschland das Science-Fiction-Genre einführen und bat Franke, ihm dabei zu helfen. Und Franke lieferte. Sein Buch "Der grüne Komet" (1960) ist ein Meilenstein in der Geschichte der deutschsprachigen Science-Fiction-Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg. Neben zahlreichen Fach- und Sachbüchern entstanden so auch preisgekrönte Sci-Fi-Romane.
Von zwei zu drei Dimensionen
Franke wurde über die Jahre von einer scheinbar unermüdlichen Neugierde angetrieben. Er selbst hat stets den technischen Fortschritt für seine Kunst genutzt. 1954 konzipierte er etwa einen Analogcomputer für die Grundrechenarten, den er für Kunstexperimente einsetzte. Ein Oszillograf diente als Drucker. In den Sechzigerjahren konnte er einen Großrechner für seine Werke nutzen, in den Achtzigerjahren arbeitete er mit der Deutschen Luft- und Raumfahrtbehörde zusammen, um an starke Computer zu kommen.
Er gehörte zu den ersten, der Bilder digitalisierte und so verfremdete. "Ich begann in den fünfziger Jahren mit programmierter und instrumenteller bildender Kunst zu arbeiten, und wechselte von analogen zu digitalen Computern, von mechanischen Plottern zu hochauflösenden Bildschirmen, von Schwarzweiß zu großen Farbpaletten, von zwei zu drei Dimensionen und sogar von Standbildern zu Animation und Interaktivität, weil die Technologie es mir ermöglichte, diese Methoden anzuwenden." Mit diesem Satz fasst Franke in der Ausstellung seine außergewöhnliche Karriere, sein Leben für die Wissenschaft, Forschung und Kunst zusammen.
In Zusammenarbeit mit Herbert W. Franke und seiner Ehefrau Susanne Päch wurde eine bunte und abwechslungsreiche Schau geschaffen, in der man sich einen guten Überblick über das umfassende und enorm vielfältige Werk des Medienpioniers verschaffen kann.
Ausstellung: "Herbert W. Franke Visionär" - noch bis 12. Juni im Francisco Carolinum Linz, Museumstraße 14. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen: 10 bis 18 Uhr, Infos unter www.ooekultur.at.
Zur Person: Herbert W. Franke studierte an der Universität Wien Physik, Mathematik, Chemie und Philosophie und promovierte 1951 in theoretischer Physik. Anschließend zog Franke nach Deutschland. Ab 1956 beschäftigte er sich mit elektronischer Grafik und experimenteller Fotografie und seit 1969 schließlich mit Computerkunst. 1979 war er Mitbegründer des Ars Electronica Festivals in Linz. Franke hat bis heute seine mehr als 50 Werkserien bei über 200 Ausstellungen gezeigt, darunter auch auf der Biennale von Venedig. Als passionierter Vermittler lehrte er Computerkunst an der Universität München (1973–1998) und an der Akademie der Künste München (1984–1998).
Mehr als 50 Bücher zu Kunst, Wissenschaft und Science-Fiction, über 200 Short Storys und zudem 150 Zeitschriften-Artikeln sowie wissenschaftlichen Publikationen gehen auf sein Konto. Mit seinen Zukunftserzählungen und -romanen war Franke bereits 1960 in der Reihe „Goldmanns Zukunftsromane“ vertreten, dann ab den Siebzigern zwanzig Jahre lang in der „Phantastischen Bibliothek“ des Suhrkamp Verlags, derzeit erscheint eine Werkausgabe bei pmachinery.de.
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