Helen Mirren: "Alles muss sich ändern, in Palästina und in Israel"

Eine ältere Frau mit grauen Haaren raucht an einem Tisch mit Mikrofon und Glas Wasser.
Die Oscarpreisträgerin spielt in „Golda“ die israelische Premierministerin Golda Meir. Ein Gespräch über Spitzenpolitikerinnen, den aktuellen Konflikt im Gazastreifen und Wut.

Nach über 150 Filmen, Theaterauftritten und TV-Serien wie zuletzt „1923“ mit Harrison Ford, zeigt die unermüdliche Helen Mirren, die im Juli 79 wird, keine Anzeichen, dass sie bald in Pension gehen will. Die Oscarpreisträgerin („The Queen“, 2006) hat allein in diesem Jahr drei Filme und steht für weitere vier vor der Kamera.

In „Golda“ (derzeit im Kino) spielt sie die israelische Premierministerin Golda Meir während des Jom-Kippur-Krieges 1973 und führt uns zurück zu einem epochalen Moment in der Beziehung zwischen Israel und den umliegenden arabischen Ländern. Leider ein sehr aktuelles Thema. Mirren war 29, als sie zum ersten Mal Israel und einen Kibbuz besuchte. Der Regisseur, Guy Nattiv, wusste das – ihr Verständnis seines Landes war ausschlaggebend für ihr Engagement.

KURIER: Der Film wurde mehr als ein Jahr bevor diese neue Tragödie ausbrach gedreht. Dennoch müssen Sie die Rolle und das Thema ein wenig nervös gemacht haben, oder?

Helen Mirren: Golda Meir war eine sehr wichtige Figur in der Geschichte Israels. Ich bin nicht ohne große Angst daran herangegangen. Ich habe Regisseur Guy Nattiv mehrmals gefragt, ob er sicher sei, dass er die Rolle einer nichtjüdischen Schauspielerin wie mir geben möchte. Er bestand darauf, dass ich perfekt für die Rolle sei und dass er mich wollte. Er hatte mich schon zuvor in Filmen wie „Die Schulden“ und „Die Frau in Gold“ eine Jüdin spielen sehen. Vielleicht dachte er, ich sei wirklich jüdisch!

Helen Mirren lächelt vor einem Hintergrund mit einer Friedenstaube.

Welche Erinnerungen haben Sie an Meir, die „Eiserne Lady“ von Israel?

Ich war damals etwa 20. Ich sah sie als feministische Ikone. Sie war vielleicht das erste Staatsoberhaupt, von dem ich damals wusste, dass es keine „Königin“ war. Ein emotionaler Moment für junge Frauen auf der Welt, auch wenn Golda wie eine Großmutter aussah. Aber welche Energie und Entschlossenheit sie hatte! Es gelang ihr, eine sehr schwierige Situation gelassen zu meistern, als Israel plötzlich von verschiedenen arabischen Ländern angegriffen wurde und es zunächst so aussah, als würde es unterliegen. Es erinnert ein wenig an den unerwarteten Angriff der Hamas am 7. Oktober. Der Unterschied besteht darin, dass Meir die Verantwortung für das Geschehene übernahm und unmittelbar nach dem Krieg von 1973, der Israel rettete, zurücktrat, während Netanyahu keinerlei Verantwortung übernimmt. Alles muss sich ändern, in Palästina und in Israel. Wir brauchen bessere Regierungen.

Brauchen wir mehr Frauen in hohen politischen Ämtern?

Frauen machen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus, und wie viele Frauen in Führungspositionen haben wir? Wenn wir die Hälfte der Führungspositionen mit Frauen besetzen würden, wäre die Welt viel besser, da bin ich mir sicher. Golda dachte an das Wohl ihres Landes, Netanyahu denkt nur an seine eigene Eitelkeit.

Verstehen Sie durch die Arbeit an diesem Film die gegenwärtige politische Situation besser?

Die historische Beziehung zwischen Israel und den Palästinensern ist sehr lang und wird wohl viele hundert Jahre in der Zukunft gehen. Was seit Oktober passiert, ist grauenhaft, aber leider typisch für diesen Teil der Welt seit der Gründung des Staates Israel. Und vorher war es übrigens auch nicht so, dass dieser Teil der Welt vom Kampf verschont blieb. Denken Sie an die Kreuzzüge. Unser Film zeigt einen Teil der israelischen Geschichte, der sehr, sehr wichtig ist. Dieses Gefühl, ständig ein Land zu sein, das angegriffen wird, ständig ein Land zu sein, das andere Länder gerne verschwinden sehen würden. Und das Leben mit dieser Erinnerung und diesem Verständnis hat Israel zu dem Land gemacht, das es heute ist. Verzeihen Sie mir, ich bin kein Dokumentarfilmer, Historiker oder Politiker. Es ist so emotional, so kompliziert, so herzzerreißend, und es ist Geschichte.

In „Golda“ haben Sie zum ersten Mal in Ihrer Karriere extrem viel Make-up und Prothesen verwendet, um in die Rolle hineinzuschlüpfen. 

Im Allgemeinen benutze ich kein Make-up oder Prothesen, keine künstlichen Nasen, nichts. Diesmal war es notwendig. Aber diese körperliche Verwandlung für die Rolle war seltsam praktisch. Offensichtlich ist Make-up ein nützliches Mittel, um jemandem ein Gesicht zu verleihen, das so anders ist als man selbst, auch weil Golda, gelinde gesagt, ein besonderes Aussehen hatte. Dann war da noch ihre Stimme, die ebenfalls eigenartig war, und die achtzig Zigaretten am Tag, die sie rauchte! Ich bin es gewohnt, binnen zwanzig Minuten von der Maske am Set zu sein. Golda stellte meine Geduld auf die Probe. Was aber sehr nützlich war, um die Wut auszuleben, die ich in den Szenen im „Kriegsraum“ kaum zurückgehalten habe.