Heldenplatz, reloaded: Krone gegen Stefanie Sargnagel

Es kleschte mit dem Boulevard: Literatur-It-Girl Stefanie Sargnagel
Internet-Protokoll. Auch abseits des Fernsehens gibt es Beef. Kultur ist kompliziert, die Welt einfach, das Internet keine Lösung.

*UPDATE, 10.3., 13.20 Uhr*

Im Internet passierte am Mittwochabend... das.

Eine junge, hippe Autorin kleschte mit der Kronen Zeitung zusammen.

Die Website der Kronen Zeitung glühte. Twitter rauchte. Es ging um einen Kunstskandal. Bzw. einen, den ein Journalist ortete, weil die Autorin Stefanie Sargnagel gemeinsam mit Kolleginnen eine Reise nach Nordafrika machte und von dort literarisch berichtete. Auf Steuerzahlerkosten, wie der Reporter pflichtbewusst aufdeckte. (750 Euro hat die mit dem Bachmann-Publikumspreis anerkannte Autorin dafür bekommen.)

Sargnagel lieferte ab. Literarisch überhöhte Erlebnisse aus dieser Reise nach Marokko. Unter anderem wird darin behauptet, man habe eine Babykatze getreten oder 13 Flaschen Wein getrunken. Oder Haschisch geraucht. Sargnagel schrieb extrem zugespitzte Texte zur Lebensrealität junger Frauen, die sich im konkreten Fall in eine fremde Kultur begeben, die in Europa nach den Vorkommnissen aus Köln und der "Nafri"-Debatte eher für Angst sorgt.

Das muss man nicht lustig finden. Oder gerne lesen. Allerdings sollte man den Unterschied zwischen einer literarischen Figur und der Autorin erkennen. Der Reporter forderte von Sargnagel hingegen, sie solle ihr Literaturstipendium zurückzahlen (die eingangs erwähnten 750 Euro).

Protokoll des Beefs

Es bieten, so wurde uns allen versprochen, die neuen Medien die Chance auf allerlei Verbesserungen für unser Zusammenleben als Gesellschaft: Dort kommen auch andere als die üblichen alten Partei-Männer von den Männerparteien zu Wort, dort tauschen sich junge, echte, kluge Menschen aus, die sonst in der zweiten Reihe schweigen müssen, dort wird das Gefälle der innergesellschaftlichen Hierarchien geplättet, sprich: Dort sollten wir all jene Diskussionen voll Zeitgemäßheit, Dringlichkeit und Herzblut erleben, die im Fernsehen als „Im Zentrum“ zur miesgelaunten wöchentlichen Pflichtübung werden.

Es ist aber, leider, der selbe zache Nonsens auch dort: Die selben alten Männer gehen, bestärkt durch die meisten Follower, voll bemitleidenswerter Selbstgewissheit in die selben alten Proporz-Diskussionen.

Neuer Nonsens

Und dazu kommt noch neuer Nonsens. Denn die oben angesprochene junge Sozialmedien-Generation ist der alten in einem verdammt ähnlich: Auch sie glaubt, bereits die letzte Weisheit errungen zu haben; die sich vor allem dadurch auszeichnet, die genau gegenteilige zu jener der alten Alphatierchen zu sein.

Und so schlammsuhlen sich die beiden Gruppen in der eigenen Wichtigkeit, und so richtig lustig wird es dann, wenn sie kurz auf-, einander erblicken und dann versuchen, einander zu belehren.

Womit wir beim öffentlichen Beef zwischen einem Online-Chefredakteur und einer jungen Autorin wären, der derzeit die Blase reizt. Der Chefredakteur hat kurz darauf vergessen, die nächste Geschichten mit FPÖ-Spin durch selbige viral werden zu lassen (wohl begründet in einer gewissen Ermattung des Materials), und einen Blick auf die Äußerungen der Jungautorin geworfen.

Wir fühlten eine große Störung in der Macht, als ob zwei Welten kollidierten, die einander nicht berühren hätten dürfen.

Der Online-Chefredakteur erblickte in den Facebookaufzeichnungen der Jungautorin Dinge, die ihm ungeheuerlich erscheinen mussten: Es ging um, sapperlot, junge Frauen ohne BH (die nicht auf Seite fünf seiner Zeitung abgebildet sind), es geht um Hasch, das, pardauz!, junge Menschen nicht absolut verdammenswert finden, um, huch, Katzencontent und um eine, ein absoluter Wahnsinn!, humorige Annäherung an jenes Thema, das seine Webseite sonst mit giftigem Schaum vor dem Mund zum Kulturkampf aufputscht, um Muslime, Männer und die Kölner Silvesternacht.

Die Jungautorin hat, wie es, kaum zu glauben, diese jungen Menschen frecherweise so machen, alles ironisch überwitzelt. Derartige Überwitzelungen der Jungautorin führten bereits nach Bayreuth und danach ins Feuilleton der Zeit, aber es gibt bitte Dinge, über die macht man keine Witze, sonst stellt es nämlich die FPÖ nicht online.

Und noch dazu ging es um Steuergeld! 1500 Euro Steuergeld! Also um das Äquivalent eines Quadtratzentimeters eines öffentlichen Inserats in der zum Online-Auftritt des Chefredakteurs gehörigen Zeitung (wo der Beef auch ausgedruckt erschien). Und da hört sich der Spaß aber wirklich auf.

Eh ur lustig

Dass der Spaß auch vorher schon enden wollend war und die Jungautorin irgendwie die Kurve in Richtung eines nichtmehrganzsojungen Autors genommen hat, der auch mit Drogen- und Sexschmäh ganz, ganz, ganz berühmt wurde (vor allem bei älteren Menschen), ist jetzt auch schon wurscht.

Das Internet explodierte! Einst gab es den Heldenplatz-Skandal, jetzt gibt es einen Twittersteit.

Der Onlineauftritt des Chefredakteurs hatte dank der Zurechtweisung einer jungen Frau jene Klicks, die die FPÖ derzeit nur mit Pizza liefert, die Jungautorin hatte alle nötigen Signale an ihre Zielgruppe abgesetzt, und es brauchte nicht einmal eine TV-Diskussion im Fernsehen, damit dieses Land - am Frauentag – um eine so unnötige wie mühsame wie ergebnisferne Ersatz-Diskussion reicher wurde.

Update: Und wer will raten, was dann geschah?

Mittlerweile interessiert sich auch die Polizei dafür.


Achja. Und die Kärnter Krone (Sargnagel arbeitet derzeit in Klagenfurt) legte ebenfalls nach: Sie bezeichnete Sargnagel als "Fäkal-Autorin" und "willig" und gibt gleichzeitig ihre Wohnadresse bekannt.

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