Abkürzungen
Die Erzählung schlängelt sich entlang der Meilensteine der Originalgeschichte, die einen (obwohl man sie schon mehrfach gesehen hat) immer noch berührt. Da man nicht den ganzen Tag im Theater sitzen kann, werden Abkürzungen genommen und Kapitel übersprungen bzw. von der Erzählerin Sascia Ronzoni zusammengefasst.
Ronzoni spielt großartig, taucht immer im richtigen Moment auf der Bühne auf, gibt Heidi als unsichtbare Mutmacherin Ratschläge ("Aufgeben ist keine Option!"), nimmt das Publikum bei der Hand und führt es von einer Szene zur nächsten. Heidi wird übrigens von Franziska Maria Pößl (ebenfalls großartig) gespielt – eine gute Wahl. Ihr nimmt man das Aufsässige sowie die Freiheits- und Naturliebe vollkommen ab. Man sieht ihr gerne zu, wie sie dem Peter (Jonas Graber) die Meinung geigt, ihn aber auch mit Herzerl in den Augen ansieht.
Besonders gelungen und lustig ist die Szene, als Heidi ihrem Opa (wuchtig verkörpert von Frank Engelhardt) die Haare schneidet, damit er nicht mehr so verwildert aussieht. Dabei wird auch noch der Bart gestutzt, die Ohren- sowie Nasenhaare ausgerissen. Aua! "Nur die Spitzen!", fleht der Öhi. Einer der vielen neu hinzugefügten und gut funktionierenden Pointen.
„Disziplin und Kultur!“
Die Geschichte wurde sanft upgedatet: Die Bewohner des Schweizer Dorfs Maienfeld sind gegen alles Neue, alles Fremde – gegen alles, was nicht ihrem „Reinheitsgebot“ entspricht. Dazu gehört auch der Öhi, der Anarchist auf der Alm, dem ein Mord nachgesagt wird. Das sind zwar alles nur Gerüchte, aber einmal behauptet, bleibt behauptet. Man kennt es aus Social-Media-Blasen: Emotion pur, Fakten spielen keine Rolle mehr. Man braucht sich ja nur ansehen, wie der Öhi dort oben haust, wie er aussieht – so ungepflegt, grindig. Und in der Kirche war er auch schon ewig nicht mehr, dieser Wurzelsepp. Mit dem stimmt doch etwas nicht. Wegsperren sollte man ihn. Angestachelt vom Großbauern (Karoline-Anni Reingraber), der eine rabiate und nationalistische "Mir-san-mir"-Mentalität an den Tag legt, wollen die Dorfbewohner auch nicht, dass Heidi, die plötzlich vor ihnen steht, zu ihrem Opa auf die Alm geht. Stattdessen soll sie direkt in kirchliche Obhut gebracht werden.
In Frankfurt, wohin Heidi später zur Erziehung zwangsverschickt wird, arbeitet man im Heim unter Führung von Fräulein Rottenmeier (ebenfalls Karoline-Anni Reingraber) an Konzepten, mit denen man „die Welt am deutschen Wesen genesen lassen“ will. „Disziplin und Kultur!“ lautet hier das Bildungsziel. Heidi soll zur Adelheid werden: „Heidi ist ja kein christlicher Name!“
Heimweh und Weltreise
Heidi findet in der Stadt zwar mit Klara (Shirina Granmayeh) eine neue Freundin und hat auch ihren Spaß mit der nervigen Rottenmeier, aber sie plagt das Heimweh - und wird krank. Sie vermisst die Berge – und vor allem den Großvater und den Peter. Doch die beiden kommen bald mit dem Zug angereist, um Heidi mit nach Hause zu nehmen. Davor geht es aber noch auf Weltreise – auf Safari nach Afrika, zum Riesenfrosch in den Dschungel und zum Himalaya, wo auch noch der Yeti, der dem Großvater ähnlich sieht, gesichtet wird. Ende gut, alles gut.
Heidi geht immer, vor allem, wenn das Stück dermaßen gut gespielt, gefällig, flott und einfühlsam inszeniert wird. Ein Theaterbesuch, der nicht nur den Kindern Freude bereitet.
INFO: "Heidi" nach dem Roman von Johanna Spyri von Thomas Birkmeir, Regie: Claudia Waldherr, Bühne: Daniel Sommergruber, Kostüme: Natascha Maraval, Musik: Severin Salvenmoser, Mit Franziska Maria Pößl, Jonas Graber, Frank Engelhardt, Sascia Ronzoni, Karoline-Anni Reingraber, Shirina Granmayeh und Uwe Achilles. Theater der Jugend im Renaissancetheater, Neubaugasse 36, 1070 Wien. Für Kinder ab 6 Jahren. Nächste Vorstellungen am 6., 7. und 9.-11. Dezember. www.tdj.at
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