Heeresgeschichtliches Museum: Rechnungshof sieht "gravierende Mängel"

++ THEMENBILD ++ HEERESGESCHICHTLICHES MUSEUM (HGM)
90 Empfehlungen an Heeresgeschichtliches Museum und Verteidigungsministerium. Verdacht möglicher strafrechtlich relevanter Tatbestände.

Der mit Spannung erwartete Bericht des Rechnungshofs zum Heeresgeschichtlichen Museum (HGM) attestiert dem Haus "gravierende Mängel". Der heute, Freitag, veröffentlichte Bericht listet eine ganze Reihe an Missständen auf. So ergab sich im Zuge der Prüfung sogar der Verdacht möglicher strafrechtlich relevanter Tatbestände. Auch habe das Ministerium seine Dienst- und Fachaufsicht "nur unzureichend" wahrgenommen. Empfohlen wird auch eine Evaluierung der Organisationsform.

Insgesamt schließt der Bericht mit 90 Empfehlungen an das Museum sowie das Verteidigungsministerium. Zu den erhobenen Kritikpunkten zählt unter anderem das "Nichtbeachten rechtlicher Vorschriften" und das "Fehlen eines gesamthaften wirtschaftlichen Überblicks", dazu kommen Missstände im Bereich der Sammlungen sowie das Fehlen von "Compliance-Bewusstsein". Neben den "zahlreichen und gravierenden Mängeln in der Führung des Heeresgeschichtlichen Museums" kritisieren die Prüfer auch "die unzureichende Wahrnehmung der Dienst- und Fachaufsicht durch das Ministerium", weshalb dem Verteidigungsministerium empfohlen wird, "die Eignung der Organisationsform des Heeresgeschichtlichen Museums als nachgeordnete Dienststelle zu evaluieren und mit anderen Organisationsformen von Bundesmuseen kritisch zu vergleichen". In einer Stellungnahme hielt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) bereits fest: "Das Museum wird Teil meines Ressorts bleiben, etwas Gegenteiliges steht nicht zur Debatte." Man werde allerdings die Ergebnisse der Prüfung umgehend an die aktuelle HGM-Kommission unter der Leitung von Wolfgang Muchitsch weiterleiten, "um die Prüfungsergebnisse in seine Arbeit einfließen zu lassen". Den Handlungsbedarf im HGM bezeichnete Tanner als "enorm": "Wir werden hier nicht tatenlos zusehen." Eine Neuausschreibung der Direktion folge in Kürze.

Kritik wird seitens der Rechnungshofs auch am Umgang mit der HGM-Sammlung geübt: Das Haus verfüge über "keinen gesamthaften Überblick über seinen Sammlungsbestand", da seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs keine vollständige Aktualisierung des Inventars erfolgt sei. Daher habe das Museum "bis heute keine vollständige Kenntnis über die Verluste durch Kriegs- und Nachkriegseinwirkungen". Teile des Sammlungsbestands seien nicht auffindbar, hervorgehoben wird in dem Bericht etwa das Nichtauffinden dreier Briefe von Egon Schiele aus dem Frühjahr 1918 an den damaligen Museumsdirektor. Zwar wüssten drei Sammlungsleiter seit Anfang 2016 über das Fehlen der Briefe Bescheid, "sie informierten die Direktion des Museums allerdings nicht".

Im Rahmen der Gebarungsüberprüfung stellte der RH weiters fest, dass in der Sammlung "Waffen und Technik" ein Gesamtüberblick über den Sammlungsbestand an Panzern und anderem Großgerät fehlte. So waren etwa drei Schützenpanzer Saurer und vier Jagdpanzer Kürassier nicht inventarisiert, obwohl diese dem Heeresgeschichtlichen Museum in den Jahren 2008 bzw. 2011 übergeben worden waren. Beim genannten möglicherweise strafrechtlich relevanten Tatbestand handelt es sich um "mehrere Missstände" rund um die Depots am Garnisonsstandort Zwölfaxing. Im Rahmen der Vor-Ort-Prüfung seien die Prüfer auf mehrere Bunker - gefüllt mit Panzerersatzteilen unbekannter Herkunft - gestoßen. Laut Direktion des Museums habe man erst durch den Rechnungshof von diesem Bestand an Panzerersatzteilen erfahren. Das Heeresgeschichtliche Museum beantragte noch während der laufenden Prüfung beim Ministerium die Erstattung einer Strafanzeige gegen den Bediensteten, der über die Schlüssel der Bunker verfügte - insbesondere wegen des Verdachts der "unbefugten Innehabung von Kriegsmaterial".

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Hier hält Tanner fest, dass sich der Verdacht des unbefugten Besitzes von Kriegsmaterial in der Kaserne Zwölfaxing nach ressortinterner Prüfung "als unzutreffend herausgestellt" habe. Die dem HGM zugeordneten Objekte seien vollständig vorhanden, elektronisch erfasst und inventarisiert. Zum Vorbringen des Ministeriums, dass sich der Verdacht gerichtlich strafbarer Handlungen nicht bestätigt habe, entgegnete der RH, dass der Sachverhalt der Panzerersatzteile unbekannter Herkunft an die zuständige Strafverfolgungsbehörde zur endgültigen Beurteilung des Vorliegens gerichtlich strafbarer Handlungen übermittelt wurde.

Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich an den Umgang des Direktors mit dem Haus nahestehenden Vereinen. M. Christian Ortner habe zur Zeit der Prüfung mehrere Vorstandsfunktionen in Vereinen innegehabt, die dem Museum eng verbunden seien. Der Rechnungshof kritisiert, dass mehrere Vereine ohne Genehmigung des Ministeriums ihren Vereinssitz an der Adresse des Heeresgeschichtlichen Museums haben. "In der engen personellen, räumlichen und organisatorischen Verflechtung liegt ein Risiko für Interessenkonflikte."

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Auffallend ist auch der Punkt "Krankenstände" in dem Bericht, in dem von einer "auffallend hohen Anzahl durchschnittlicher Krankenstandstage" die Rede ist. "Diese betrugen im Durchschnitt im Zeitraum 2014 bis 2018 zwischen rd. 27 Tagen und rd. 52 Tagen pro Person und Jahr." Der Rechnungshof vergleicht dazu den österreichweiten Durchschnitt von rd. 12,6 Tagen pro erwerbstätiger Person und Jahr. Auch bei den Ankäufen hagelte es Kritik. Besonders pikant: Das Heeresgeschichtliche Museum kaufte 54 Objekte aus dem Eigentum des Direktors und seines Stellvertreters, "obwohl keine gesonderten Vorgaben für Ankäufe von eigenen Bediensteten vorlagen, wie dies internationale Richtlinien aufgrund der Problematik der Befangenheit vorgeben".

In der Schlussempfehlung finden sich 90 Empfehlungen durch den Rechnungshof, wobei sich 55 davon direkt an das HGM richten, der Rest betrifft das Verteidigungsministerium.

Auszüge aus den Empfehlungen des Rechnungshofes

  • "In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung wäre ein Compliance Management System unter Berücksichtigung der Spezifikation des Museumsbetriebs einzuführen." Unter anderem wird "die Etablierung einer Antikorruptionskultur durch entsprechende Schulungsmaßnahmen auf allen Hierarchieebenen des Heeresgeschichtlichen Museums" empfohlen.
  • "Unabhängig von der konkreten Budgetstruktur wären geeignete Maßnahmen zu setzen, um die Details der eigenen Gebarung jederzeit nachvollziehbar aufbereiten zu können."
  • "Die Aufzeichnungen der Museumseintritte wären unverzüglich derart zu führen, dass jederzeit ein nachvollziehbarer Überblick über die Besucherzahlen und die Einnahmen aus Museumseintritten ermöglicht wird, zumal diese Aufzeichnungen auch unverzichtbare Grundlage für die korrekte Abfuhr der Umsatzsteuer sind."
  • "Die Ursachen für die hohe Anzahl an durchschnittlichen Krankenstandstagen pro Person wären zu erheben und geeignete Maßnahmen zu deren Reduktion zu setzen."
  • "Für die Außenstelle "Militärluftfahrtmuseum Zeltweg" wäre umgehend um eine Betriebsstättengenehmigung bei der zuständigen Behörde anzusuchen."
  • "Für den Abschluss der elektronischen Inventarisierung des gesamten Sammlungsbestands wäre ein realistischer Zeitplan zu erstellen. Dabei wäre der Revision des Bestands an Panzern und schweren Waffen Priorität zuzuerkennen."
  • "Umgehend wären Sicherungsmaßnahmen für eine ordnungsgemäße Lagerung von Waffen und Panzern am Garnisonsstandort Zwölfaxing zu ergreifen."
  • "Um rechtswidrige Dienstanweisungen zu vermeiden, wäre bei der Regelung von Rechtsfragen mit Dienstzettel des Direktors vor Inkraftsetzung die Rechtsabteilung des Bundesministeriums für Landesverteidigung zu konsultieren."
  • "Um die umfängliche Information über Fehlbestände - insbesondere kritischer Leihgegenstände - bis zur Direktion des Heeresgeschichtlichen Museums zu gewährleisten, wären geeignete Maßnahmen zu setzen."
  • "Die Zusammenarbeit mit Vereinen wäre besser zu dokumentieren. Insbesondere wären nachvollziehbare Aufzeichnungen über die Zuwendungen durch den Verein "Viribus Unitis" sowie über die an dessen Mitglieder durch das Heeresgeschichtliche Museum erbrachten Aufwendungen zu führen."
  • "Bei einem Naheverhältnis mit dem Geschäftspartner wäre - auch im Sinne des Verhaltenskodex des Bundesministeriums für Landesverteidigung - eine transparente und nachvollziehbare Dokumentation des gesamten Beschaffungsprozesses zu gewährleisten."
  • "Gemäß den ressortinternen Regelungen wären auch eigenen Bediensteten Entgelte für die Überlassung von Museumsräumlichkeiten für private Veranstaltungen in Rechnung zu stellen."
  • "Vor Wiedereröffnung der "Panzerhalle" für den Publikumsverkehr wären sämtliche behördlichen Genehmigungen einzuholen."

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