Avocados und Hasen streicheln

Laura Tonke (li.) als Hedi Schneider macht  mit ihrem Mann (Hans Löw) und ihrem Sohn (Leander Nitsche) Urlaub in Norwegen und sucht das Glück
Laura Tonke als depressive Ehefrau und Mutter in "Hedi Schneider steckt fest" ist tragisch-komisch. Weiters: "Minions", "Blockbuster", Liebe auf den ersten Schlag"

Hedi Schneider steckt fest. Zuerst nur im Aufzug, doch da bleibt sie noch relativ entspannt. Munter plaudert sie mit der Stimme vom Servicedienst ("Einmal Hamburger mit Pommes, bitte") und macht es sich auf dem Boden der Kabine gemütlich. Auch den manischen Bürokollegen ("Sie trinken aus meiner Tasse, kann ich sie bitte wiederhaben") steckt sie locker weg. Ebenso den Chef und seine ätzenden Bemerkungen. Doch ausgerechnet beim Sex mit dem Ehemann, überfällt Hedi die Angst. In Form einer Panikattacke, die sie für einen Schlaganfall hält. Sanitäter eilen herbei und finden nichts.

"Sie haben Angst vor der Angst" erklärt der Psychiater der verwirrten Mutter, die sich nicht mehr allein auf die Straße traut – es sei denn, sie hat vorher eine fette Glückspille geschluckt. Unter deren Einfluss kann Hedi ihren Mann auf einer Party überraschen, sich über der Schulter eines weiteren Gastes übergeben und dann ausgelassen durch die Straßen tanzen.

In den besten Momenten erinnert Laura Tonke als Hedi an Gena Rowlands in Cassavetes’ "Eine Frau unter Einfluss"; in den schwächsten an den nächstbesten Sundance-Indie-Film. Regisseurin Sonja Heiss bemüht sich um eine bekömmliche Balance zwischen Komödie und Tragödie, die manchmal etwas zu gefällig ausfällt.

Doch dann wieder zielen fein beobachtete Grausamkeiten unter die Gürtellinie. Kein Verständnis findet Hedi bei ihrer Mutter. Diese empfindet die Depression der Tochter als persönlichen Angriff und verteilt hilflos-aggressive Ratschläge ("Wenn es mir schlecht ging, nahm ich ’ne kalte Dusche.")

Depression

Wie sehr die Depression eine Person von ihrem innersten Umfeld entfremdet, skizziert Heiss mit stilsicherer Hand. Das Familienleben erodiert auf subtile Weise: Versteckenspielen mit dem lauten Kind gerät zur unbewältigbaren Herausforderung. Das Elternschlafzimmer wird zum Ort des abgedämpften Lichtes, in dem eine Frau nicht allein sein kann. Und der so duldsame Ehemann gerät an die Grenzen seiner Belastbarkeit und findet bald Trost von Fremden.

Laura Tonke spielt Hedi wie eine Schlafwandlerin unter dem Einfluss von Lachgas. Der Druck von außen hat sie sichtlich verlangsamt, und man weiß nie, ob sie als nächstes in Lachen oder Weinen ausbrechen wird.

Einmal geht Hedi in ein Tiergeschäft, um ein "schönes Tier" zu kaufen. Sie erwirbt einen kuscheligen Hasen, und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis sie es schafft, den Langohr vor den Augen des ungeduldigen Verkäufers in eine Kiste zu packen. Die Szene ist von spezieller Komik, weil sie Hedis depressive Verlangsamung und die Effizienz des Verkäufers witzig auf einander prallen lässt.

"Die Welt des Glücklichen ist eine andere als die des Unglücklichen", wusste schon Wittgenstein, und Hedi tut alles, um die Welt der Unglücklichen wieder zu verlassen. Sie streichelt Avocados, schluckt Pillen und macht Schreitherapien. Ein gemeinsamer Urlaub in Norwegen soll das Familienleben wieder konsolidieren. "Vielleicht, sagt Hedi, "versuchen wir einfach nur, einen Tag glücklich zu sein – und dann sofort wieder unglücklich. Dann nehmen wir uns nicht so viel vor." "Okay", sagt der Ehemann. Willkommen in der Welt des Glücklichen.

Info: "Hedi Schneider steckt fest". D/NO 2015. 90 Min. Von Sonja Heiss. Mit Laura Tonke, Hans Löw.

KURIER-Wertung:

Minions. Haben Sie sich jemals gefragt, wo sie herkommen?

Egal, jetzt bekommen Sie die Antwort: Die gelben, ein- bis zweiäugigen Einzeller mit den blauen Latzhosen gibt es schon seit Urzeiten. Seit damals sind die Helferlein auf der Suche nach einem Bösewicht, dem sie ihre Dienste anbieten können – von Dinosaurus Rex bis Napoleon.

Nach einem witzigen Schnelldurchlauf durch die (Ur-)Geschichte, setzt das Prequel zu "Ich, einfach unverbesserlich" 42 Jahre vor Gru ein, dem Gangsterboss der Minions aus den Animationshits. Drei der gelben Bohnen mit der unverständlichen Sprache – ab und zu versteht man das Wort "Banana" oder "La Cucaracha"– kommen 1968 ins Hippie-London, um dort für ihre neue Herrin Scarlett Overkill die Kronjuwelen zu klauen. Dabei ist die Handlung selbst eher übersteuert als originell, bietet aber reichlich komisch-anarchische Einfälle: So landen die Minions beispielsweise im Tower, wo drohend die Schlinge vom Galgen baumelt. Doch Minions haben bekanntlich keinen Hals – und machen stattdessen Turnübungen auf dem Seil. Ziemlich vergnüglich.

Info: USA 2015. 91 Min. Von Kyle Balda, Pierre Coffin. Deutsche Stimme von Carolin Kebekus.

KURIER-Wertung:

Avocados und Hasen streicheln
Land in Sicht: Die Minions spielen ihre erste Hauptrolle

Vlado Priborsky hatte einen Traum wie viele andere Buben auch: Einen richtigen Film zu drehen. Mit 26 erfolgte aber die Diagnose: Krebs. Nachdem er diesen überwunden hat, stirbt sein Kind nach einer Frühgeburt. Den Antrieb, als Hobbyregisseur zu arbeiten, verstärken diese Rückschläge aber nur noch. Der gebürtige Tscheche dreht Kurzfilme, fast ohne Budget, mit Beleuchtung aus dem Diskontmarkt.

Mit vierzig Jahren hat Priborsky nun seinen Traum vom langen Spielfilm verwirklicht. "Blockbuster" hat, trotz des knalligen Titels, nichts Bombastisches. Als Spielfilmdoku zeigt der Film seine eigene Entstehung: Über Crowdfunding konnte Priborsky gerade mal 20.000 Euro zusammenkratzen, Förderungen bekam er nicht. Durch das Vorhaben, die Einnahmen dem St. Anna Kinderspital zu spenden, konnte aber eine prominente Schauspielerriege zum Nulltarif gewonnen werden: Ursula Strauss als behandelnde Ärztin, Reinhard Nowak, Sabrina Reiter, Manuel Rubey, Franz Buchrieser, Alexander Pschill, Thomas Stipsits und viele andere. Priborsky selbst wird vom Newcomer Wolfgang Rauh dargestellt.

Wenngleich "Blockbuster" teils wie ein abendfüllendes Bewerbungsvideo anmutet, wirken Ambition und Charme des Projekts höchst ansteckend.

KURIER-Wertung:

INFO: "Blockbuster". Spielfilmdoku. Ö 2015. 102 Min. Von Vlado Priborsky. Mit Ursula Strauss. Katharina Straßer, Manuel Rubey, Franz Buchrieser.

www.blockbusterderfilm.at

Avocados und Hasen streicheln
Der frühere "Mr. ZiB" outet sich wie viele andere Prominente als Fan des ambitionierten Regisseurs (gespielt von Wolfgang Rauh)
Avocados und Hasen streicheln

Der deutsche Verleihtitel "Liebe auf den ersten Schlag" ist ebenso kitschig wie irreführend: "Les Combattants" ("Die Kämpfer"), das französische Original, spricht da schon eine deutlichere Sprache: Ein zukünftige Liebespärchen lernt sich beim Kampfringen am Strand kennen. Sie nimmt ihn in den Schwitzkasten – und nur ein unsportlicher Biss kann ihn aus ihrer Umklammerung befreien.

Coming-of-Age und erste Liebe unterspickt Regisseur Thomas Cailley in seinem subtil humorvollen Debütfilm mit apokalyptischen Anspielungen. Eine undeutliche Bedrohung schwelt über seiner schlagfertigen Liebesgeschichte und knüpft das Prekariat der jugendlichen Gefühle an vage Zukunftsängste. Denn Madeleine, ein wehrhaftes junges Alpha-Mädchen, sieht das Ende der Welt nahen und übt sich im Überlebenstraining. Dazu gehört das Tauchen mit Ziegelsteinen im Rücksack und roher Fisch als Mixgetränk. Um seiner schroffen Angebeteten näherzukommen, schreibt sich Arnaud mit ihr gemeinsam für ein zweiwöchiges Überlebenstraining beim französischen Heer ein. Enttäuscht von der Ausbildung, seilen sich Madeleine und Arnaud bald von ihrer Truppe ab und schlagen sich alleine durch den Wald. Dort können sich die beiden Jugendlichen neu erfinden – so lange, bis tatsächlich die Katastrophe eintritt. Liebe auf den ersten Schlag.

Info: "Liebe auf den ersten Schlag".F 2014. 98 Min. Von Thomas Cailley. Mit Adèle Haenel, Kévin Azaïs.

KURIER-Wertung:

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Kämpferisch: Adèle Haenel

Horror. Wer einen Toten ruft, wird von vielen gehört – auch von jenen Toten, die man nicht gemeint hat. Genauso ergeht es einem Teenage-Girl, das mithilfe des Mediums Elise Rainier seine verstorbene Mutter aus dem Jenseits ruft und Antwort von einem Geist erhält, der ein wenig an eine verwitterte Version von Hannibal Lecter mit Ledermaske erinnert. Als Vorgeschichte zu der an den Kinokassen so erfolgreichen "Insidious"-Horror-Serie ist Kapitel 3 ein Absacker: Weder übermäßig gruselig, noch in seiner Ironie überzeugend spritzig.

KURIER-Wertung:

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