Haruki Murakami: Finale im Nebel

Haruki Murakami: Finale im Nebel
Ab heute, Montag, ist der zweite Teil des auf 1000 Seiten ausgepolsterten Romans "Die Ermordung des Commendatore" im Handel

Hat man Band 1 mit 477 Seiten hinter sich und ist im abschließenden Band 2 auf Seite 461 angelangt, erfährt man:
„Wir alle leben mit Geheimnissen, die wir nicht preisgeben können.“
... und wo ausnahmsweise keine sind, wo es  bloß darum geht, dass eine Frau einen Geliebten hat und der Ehemann deshalb auszieht und dann wieder einzieht ... wo das der Anfang ist und das Ende, muss Haruki Murakami seinem Ruf gerecht werden und dich mit Geheimnissen überschütten.
FährmannDeshalb sind in einer Grube im Wald Glöckchen eingemauert und bimmeln. um befreit zu werden. Deshalb öffnet sich im Zimmer eines Altersheim der Boden, sodass man in die Unterwelt steigen kann. An einem reißenden Fluss steht ein Fährmann, der kein Gesicht hat. Er bringt einen auf die andere Seite (= in die Grube im Wald), aber man muss ihm etwas schenken, einen Plastikpinguin nimmt er gern, und so geht das weiter und so fort.
 Ein Nebel-Bombardement, vom deutschen Feuilleton noch mehr geliebt als in Japan. Dort gab es  leise  Kritik, ob Murakami diesmal etwas übertrieben habe mit dem Nichtssagenden.

„Die Ermordung des Commendatore“ gibt es nur, weil sich der japanische Nobelpreis-Kandidat immer, wenn er „Don Giovanni“ gehört hat (das war oft), fragte: Was genau ist denn so ein Commendatore?
Laut Wikipedia: „in der Mitte der Rangordnung italienischer Orden, über dem Cavaliere und unter Grande Ufficiale stehend.“
Bei Mozart wird der Commendatore erstochen: Don Giovanni bringt den Alten um, der seine Tochter Donna Anna vor dem Wüstling  beschützen wollte.
„Killing Commendatore“  – das gefiel Murakami. Er erfand zuerst  ein Gemälde, das diese Szene zeigt. Der berühmte und mittlerweile demente Maler Tomohiko Amada hatte es aus traurigem Grund versteckt, bewacht von einer Eule
Ein  nicht so berühmter, einsamer und namenloser Maler (das ist derjenige, der von seiner Ehefrau verabschiedet wurde) findet es, und aus dem Bild tritt – der Commendatore.

Aber nur 60 cm klein, immerhin sieht er manchmal brutal aus wie der amerikanische Filmschauspieler Lee Marvin. Von sich selbst behauptet dieser Zwerg in Uniform, er sei nur eine Idee.
Was ja durchaus stimmt.
Eine deutliche Inhaltsangabe hier würde dem Roman schlecht bekommen: Zu wenig würde übrig bleiben. Außer, dass trotz Mozart ständig eine LP mit dem „Rosenkavalier“ gehört wird ... und dass Japaner offensichtlich gern  Toast und Eier sowie Hummer mit pasta essen ... und dass eine 13-Jährige noch keinen Busen hat (darum geht es sooo  oft). Wie  Murakami  mittendrunter das Wien  des Jahres 1939  samt Widerstandskampf streift, ist zu viel des Guten und soll wohl nur bedeuten: Vergesst die Vergangenheit !

chtPaHaruki Murakami formt Welten,   auf die man sich zwar gern einlässt.  Aber immer daran denkt: Das ist kein Buch, das vom Autor geschrieben werden MUSSTE;   kein Buch, in dem man sich selbst  erkennen – was ja ein guter Grund fürs Lesen von Literatur ist.
Beim „Commendatore“ geht das  freilich nur, wenn man auf Drogen ist. Dann könnte man sich vielleicht im schönen  Herrn Menshiki entdecken.
Nein, der Kerl ist gar zu parfümiert.
Oder in dem Mann aus der Unterwelt mit dem langen Melanzani-Gesicht.
Nein, doch nicht,  der Kerl ist ... unnötig.


Haruki
Murakami:

„Die Ermordung des
Commendatore Band 2“
Übersetzt von Ursula Gräfe.
DuMont Verlag.
496 Seiten.
26,80 Euro.

KURIER-Wertung: ****

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