Burg kann "so nicht mehr existieren"
Ich habe mich lange geweigert, diese Jammerlappen-Geschichte zu machen“, sagt Burgtheater-Direktor Matthias Hartmann gegenüber dem KURIER.
Gemeint ist: Über Geldmangel zu klagen.
Hartmann: „Das Problem ist, man gerät dadurch in eine Abwärtsspirale.“ Das Publikum wolle „Hamlet“ in einem dynamischen Haus sehen, und nicht in einem, das offenbar in der Krise steckt.
Auch die Taktik seines Amtsvorgängers Klaus Bachler, der immer wieder, quasi nebenbei, vor den Folgen nicht erhöhter Subventionen bei gleichzeitig steigenden Preisen und Gehältern warnte, findet Hartmann nicht gut: „Denn die Politiker lernen daraus, dass es ja doch irgendwie geht. Der Punkt, an dem es nicht mehr geht, liegt aber nicht vor uns – er ist bereits überschritten.“
Gemeint ist: Nach der Ausschöpfung aller Sparmöglichkeiten kann die Burg den Betrieb im derzeitigen Ausmaß nicht fortsetzen, ohne ein Budgetdefizit zu schreiben.
Deshalb entschloss sich der stets diplomatische und jede Aufgeregtheit meidende Burgdirektor zu einem ungewöhnlichen Schritt: Er schrieb seine für den Festakt zum 125-jährigen Bestehen des Burg-Gebäudes geplante Rede in der Nacht noch einmal um und formulierte eine dramatische Frage: „Haben wir ein Haus ohne Zukunft gefeiert?“
Die Kernsätze der Rede: „Dieses Haus hat etwas Ungeheuerliches geleistet: Seit 14 Jahren müssen wir immer höhere Personalkosten zahlen, seit 14 Jahren gibt uns niemand das Geld, um das zu leisten. Seit 14 Jahren fangen wir das auf: Mit immer höheren Einnahmen und sinkenden Personalkosten. Rechnet man die Einsparungen und die Inflation heraus, stehen dem Burgtheater lediglich 50% von den Mitteln zur Verfügung, die es noch vor 14 Jahren gehabt hat.“
Schulden
Und weiter: „Dieses Theater kann so, wie es heute ist, nicht existieren, ohne mehr Geld auszugeben, als es bekommt. Mit jedem Tag, an dem dieses Theater arbeitet, entstehen Forderungen gegenüber dem Staat, der es erhalten will. Betriebswirtschaftlich gesprochen heißt das: Mit jedem Tag, an dem das Burgtheater so arbeitet, wie Sie, liebe Politiker, es voraussetzen, entstehen Schulden. Dieses Theater, von dem wir träumen, gibt es in Wahrheit nur dann, wenn die Politik dieses Landes sagt, ob sie es so haben will, wie es ist, oder eine abgespeckte Version davon haben möchte. Also: weniger Ensemble, weniger Theater, weniger Programm, kein Kinderstück mehr, kein Akademietheater.“
Hartmanns Appell an die Politik: „Sie sind jetzt an der Reihe zu entscheiden. Das ist Kulturpolitik. Dieser Aufgabe müssen Sie sich stellen. Wir helfen Ihnen gerne dabei, aber Sie können sich vor dieser Aufgabe nicht drücken.“
Das Publikum beim Festakt reagierte mit tosendem Applaus. Kulturminsterin Claudia Schmied erklärte sich mit Hartmann solidarisch, was sie leicht tun kann, denn sie verlässt das Amt. Bundespräsident Heinz Fischer verweigerte Hartmanns Rede den Beifall und wirkte indigniert. Weitere Politiker waren bei dem Festakt übrigens nicht anwesend.
Hartmann zeigte sich darüber nicht überrascht – die Politik halte sich nach der Wahl bedeckt. „Aber Kulturpolitik bedeutet, Entscheidungen zu treffen – sie können die Augen nicht mehr verschließen.“
Dass diese Entscheidungen dringend nötig sind, weiß man eigentlich auch schon wieder seit März dieses Jahres: Damals lieferte die Bilanz der dem Burgtheater übergeordneten Bundestheater-Holding den notwendigen Augenöffner bezüglich der Budgetnöte des Hauses.
Kapitalschnitt
Zwar stand „Bilanzgewinn: Null Euro“ im Jahresabschluss des Burgtheaters 2011/’12, trotz 13 Premieren im Haupthaus und im Akademietheater in vier Monaten zu Beginn von Hartmanns Amtszeit.
Doch diese schwarze Null ging sich schon damals nur mehr durch einen Griff ins Eingemachte – sprich: ins Stammkapital des Hauses – aus. In einem sogenannten Kapitalschnitt wurde das Stammkapital des Burgtheaters um 3,65 Millionen Euro herabgesetzt. Die selbe Summe scheint deswegen auf der Habenseite in der Bilanz auf – und schon ging sich die schwarze Null wieder aus.
Das sei kein ungewöhnlicher Vorgang, sagten damals Experten zum KURIER, aber – wie Holding-Chef Georg Springer festhielt – „schon ein Signal“ für die Zukunft des Theaters. Rücklagen auflösen – ein beliebtes Mittel zur Budgetverbesserung – kann das Theater, dessen Ensemble bereits von 100 auf 80 Mitglieder reduziert wurde, künftig nicht mehr: es gibt keine Rücklagen mehr.
Burgtheater in Zahlen
Publikum: 430.000 Personen besuchten zuletzt die 884 jährlichen Vorstellungen. Die Auslastung liegt bei 83 Prozent. Eigendeckungsgrad: 22 Prozent.
Einnahmen: Die Betriebserlöse aus Kartenverkauf, Sponsoring etc. betrugen zuletzt 12,3 Millionen Euro, auf den Kartenverkauf entfielen davon 7,6 Millionen. In den letzten 15 Jahren wurden die Subventionen von 45,9 Mio auf 46,4 Mio erhöht. Also um 8 %. Gleichzeitig haben sich die Gehälter um 43 %, die Sachkosten durch die Inflation um 30 % erhöht.
Spielstätten: Das Theater bespielt Burg, Akademie, häufig das Kasino sowie fallweise das Vestibül.
Ensemble: Derzeit 80 Schauspieler und Schauspielerinnen, um fast 30 weniger als vor zehn Jahren.
Lange war der letzte, 2011 abgeschlossene Evaluierungsbericht der Bundestheater unter Verschluss: Die Überprüfung von Holding, Staats- und Volksoper, Theaterwerkstätten und Burgtheater beinhalte vertrauliche und für die Wettbewerbsfähigkeit der Häuser wichtige Details, hieß es aus dem Kulturministerium. Es sind jedoch im (mittlerweile vom Grünen Kultursprecher Wolfgang Zinggl via einer parlamentarischer Anfrage öffentlich gemachten) Evaluierungsbericht nicht nur derart brisante Erkenntnisse zu finden. Vieles dessen, was evaluiert wurde, liegt dafür recht deutlich auf der Hand. So ist auch ohne Studie erwartbar, dass im Burgtheater die Theaterproduktionen den höchsten finanziellen Aufwand verursachen. Dass für Premieren ein größeres Publikumsinteresse als für Repertoirevorstellungen besteht. Und dass das Burgtheater versuchen sollte, höhere Karteneinnahmen zu lukrieren.
Reduktion
Doch schon in diesem Evaluierungsbericht kommt vor, was Burgdirektor Matthias Hartmann nun in den Raum stellt: Die finanziell bedingte Schließung des Akademietheaters. Diese wird zwar nicht empfohlen, da sie dem Bundestheater-Gesetz widerspricht. Jedoch brächte sie eine „wesentliche Kostenreduktion“, wie selbst in der damals öffentlich gemachten Zusammenfassung der Evaluierung vermerkt wird.
Das politische Ergebnis der Studie: Die Bundestheater erhielten den Auftrag, 14 Millionen Euro einzusparen. Dies sollte durch den effizienteren Einsatz von Mitteln erzielt werden. Im Bereich des Burgtheaters ging es vor allem um die Kosten von Produktionen: Unterauslastungen im Ensemble sollten vermieden, die Notwendigkeit der (teureren) Gast-Schauspieler immer wieder überprüft und die Erlöse aus Karten und Sponsoring über diverse Maßnahmen erhöht werden. Und „es soll weiterhin versucht werden, Synergiepotenziale zwischen den einzelnen Häusern zu realisieren.“
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