„Höch war die erste Künstlerin überhaupt, die das Phänomen der alltäglichen Bilderflut zu einem Thema der Kunst gemacht haben“, sagt Kurator Martin Waldmeier, der das Werk Höchs zunächst für das Zentrum Paul Klee in Bern und nun für das Belvedere aufbereitete (bis 6. 10.). Der Rahmen spannt sich von frühen Arbeiten, die die in Gotha geborene Künstlerin als einzige Frau in den Kreis der Berliner Dadaisten brachte, bis zu späten Werken, die sie, zurückgezogen in einem Gartenhaus nahe Berlin lebend, schuf.
Polit-Analyse
Dada – das war Anti-Kunst, Absurdität und Provokation angesichts der Gräuel des Ersten Weltkrieges. Einige Protagonisten agitierten später auch explizit gegen den aufkeimenden Faschismus. Wie ihre Zeitgenossen John Heartfield oder Raoul Haussmann – mit Letzterem war Höch liiert – verfolgte die Künstlerin Zeitströmungen mit bissigem Humor: Collagen wie „Staatshäupter“ (1918) oder „Ertüchtigung“ (1925) scheuen aber vor der karikaturhaften Überformung zurück und legen die Lächerlichkeit von Führer- und Körperkulten auf subtile Weise bloß.
Immer wieder brachte Höch das Maschinenartige und Konstruierte der Bilder in den Fokus – eine mediale Selbstkritik, die der um Nahtlosigkeit bemühten Kunst, die heute im Fahrwasser KI-generierter Bilderfluten entsteht, häufig fehlt.
Wie Bilder funktionieren, konnte Höch durch ihren Brotjob aus nächster Nähe lernen: Sie war lange Redakteurin für den Ullstein Verlag, damals einer der wichtigsten Herausgeber von Illustrierten. Viele von Höchs Werken sind formale Experimente, testen die Wirkung verschobener Größenverhältnisse, isolierter Körperteile oder Augen aus. Wenn ein „Deutsches Mädchen“ (1930) als schräges Hybridwesen erscheint, ist die kritische Aussage dennoch sofort klar.
Katzenfotos
Die Nazis stuften Höch wie ihre Dada-Freunde als „Kulturbolschewisten“ ein – die Künstlerin wählte aber den Rückzug statt der Flucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg betonte sie die fantastische Seite ihrer Kunst, fühlte sich eher dem Surrealismus nahe und schuf ein Kinderbuch: Die Aneinanderfügung einander fremder Elemente sollte neue Vorstellungswelten hervorbringen.
Doch bei aller Poesie vermitteln die späten Bilder nicht mehr die analytische Schärfe des frühen Werks. Selbstkritisch blieb Höch wohl, wie eine Montage am Ende der Schau zeigt. „Dies ist kein Kunstwerk, sondern eine Sammlung der schönsten Katzenfotos“, notierte die Künstlerin handschriftlich auf das Bild, das sie allerdings mit „HH“ signiert hatte.
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