"Eine Denkerin ohne Geländer"

Barbara Sukowa als "Hannah Arendt"/ von Margarethe von Trotta
Regisseurin Margarethe von Trotta im Interview über ihren neuen Film "Hannah Arendt".

Das Rauchen war eine große Hilfe. Denn es ist schwierig, jemanden beim Denken zu filmen.

Aber Denken und Rauchen – das hilft: „Und selbst, wenn sie mit geschlossenen Augen auf dem Bett liegt, mit einer qualmenden Zigarette in der Hand, weiß das Publikum, dass sie nicht schläft, sondern denkt,“ sagt Margarethe von Trotta im KURIER-Interview. Die, die denkt, ist Hannah Arendt, Titelheldin von Trottas neuem Film „Hannah Arendt“ (derzeit im Kino).

Die jüdische, deutsch-amerikanische Philosophin und politische Theoretikerin – resolut gespielt von Trottas Muse Barbara Sukowa – liegt auf ihrer New Yorker Couch und denkt nach – über den Nazi-Verbrecher Adolf Eichmann.

Eichmann, einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung von sechs Millionen Juden, stand im Mai 1960 in Israel vor Gericht. Arendt war für das US-Magazin The New Yorker nach Jerusalem gereist, hatte dort den Prozess mitverfolgt und danach ihr berühmtes Buch „Eichmann in Jerusalem. Ein Bericht von der Banalität des Bösen“ (1964) geschrieben. Und wurde danach heftig angefeindet.

Von dem Eichmann-Prozess und seinen Folgen, genau davon handelt der neue Spielfilm.

Luxemburg

Margarethe von Trotta, die Grande Dame des (neuen) deutschen Films, hat einen Gutteil ihres Filmschaffens starken (jüdischen) Frauen gewidmet.

Schon „Rosa Luxemburg“ (1986) – ebenfalls mit Sukowa – verhandelte das Schicksal der jüdisch-deutschen Kommunistin.

"Eine Denkerin ohne Geländer"
Regisseurin von "Hannah Arendt
„Für mich gehören drei meiner Filme zusammen“, erklärt die 72-jährige Regisseurin: „,Rosa Luxemburg‘, dann die Berliner Frauen in meinem Film ,Rosenstraße‘, der in der Nazi-Zeit spielt. Und jetzt ,Hannah Arendt‘, die in den 60er-Jahren zurückblickt und über die ,finstere Zeit‘ nachdenkt.“

Warum sie sich auf den Eichmann-Prozess konzentrierte, ist leicht erklärt.

Sie wollte die Denkarbeit der Philosophin zeigen, erzählt Trotta, und das wäre in der Auseinandersetzung mit Eichmann – der übrigens nur mit Originalmaterial gezeigt wird – am greifbarsten geworden: „Eichmann, der während des Prozesses in einem Glaskasten sitzt, und Arendt, die ihn anschaut und dann zu ihren Erkenntnissen kommt. Für mich ist das wie ein Duell: Die Denkerin Arendt gegen den Nichtdenker Eichmann.“

Heidegger

Doch einer fehlt in diesem Trio, und das ist der „Meister des Denkens“, der deutsche Philosoph Martin Heidegger. Er war Arendts Lehrer und Geliebter, und ging, wie Trotta sagt, „trotz seines Denkens den Nazis auf den Leim. Die drei gemeinsam ergeben die Dynamik meines Films.“

Hätte sie eine Liebesgeschichte „Hannah und Martin“ aus der Verbindung zu Heidegger gemacht, „dann hätte es nicht so lange gedauert, bis ich das Geld für diesen Film beisammen hatte“, bemerkt die Regisseurin lakonisch. Aber das erschien ihr nicht richtig.

Für sie, Margarethe von Trotta, war Hannah Arendt „ein Genie der Freundschaft“. Und eine „Denkerin ohne Geländer. Das macht sie auch für uns heute noch so wichtig.“

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