Handwerklich perfekt: "Der zerbrochne Krug"

Handwerklich perfekt: "Der zerbrochne Krug"
Matthias Hartmann inszeniert Kleists "Der zerbrochne Krug" im Akademietheater mit einem Luxusensemble - kurzweilig und mit bösen Pointen.

Der Gerichtssaal ist zu Beginn eine weiße Fläche, umgeben von Schlamm. Und so sehr sich alle zu bemühen scheinen, diese Insel im Schmutz sauber zu halten, so sehr erreichen sie das Gegenteil. Am Ende ist alles und jeder hier voll von Dreck. In durch und durch korrupten Verhältnissen gibt es keine Sauberkeit.

Die Bühnenlösung von Stéphane Laimé mag plakativ sein, aber sie illustriert die Handlung perfekt: Ein Dorfrichter versucht, ein Mädchen zum Sex zu nötigen, indem er verspricht, des Mädchens Verlobten vom Militäreinsatz zu bewahren. Das Mädchen weigert sich, der Richter flieht und zerbricht einen Krug. Am nächsten Tag muss er die Ermittlungen leiten. Am Ende wird sein Vergehen von einem Vorgesetzten aufgedeckt - und sofort vertuscht.

Neudeutung

Matthias Hartmann lässt Kleists Klassiker zwar texttreu, aber gegen die Aufführungstradition spielen. Bei Hartmann wissen sichtlich alle von Beginn an, dass der Richter in Wahrheit der Schuldige ist. Da den Leuten offener Aufruhr gegen die Obrigkeit nicht möglich ist, versuchen sie alle, die Situation zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die sind also nicht dumm, die stellen sich nur dumm. Das ist eine sarkastische, gewagte Deutung, die aber nicht im Widerspruch zum Text steht. Und die dem Stück viel Schärfe gibt und viel Gemütlichkeit nimmt. So wird deutlich, wie nahe dieses Huisum dem heutigen vergrasserten und verscheuchten Österreich ist.

Die Besetzung ist luxuriös. Michael Maertens spielt den Adam wie man es von ihm erwartet: Virtuos, aber bei aller Komik nicht Karikaturenhaft. Großartig ist Roland Koch als Gerichtsrat Walter: Um nichts weniger korrupt als Adam, nur staatsmännischer. Am Ende - eine hübsche Idee! - möchte er sich selbst die Zuwendung des Mädchens Eve kaufen.
Eve: Yohanna Schwertfeger bemüht sich, bleibt aber blass und nahe am Klischee. Toll gelingt ihr die Wandlung am Ende: Eve vergisst angesichts einer Silbermünze sehr rasch auf den Verlobten. Maria Happel als Marthe Rull ist ganz Publikumsliebling und räumt Lacher ab. Wunderbar ist Therese Affolter als Frau Brigitte, die ihre eigene Teufelsgeschichte keine Sekunde glaubt.

Sehr gut ist auch Juergen Maurer als Schreiber Licht, hin und her gerissen zwischen beamtischer Unterwürfigkeit und Karrierestreben. Eves Verlobter Ruprecht (Peter Miklusz debütiert an der Burg) und sein Vater Veit Tümpel (Ignaz Kirchner als Einspringer) sind in dieser Lesart des Stückes Randfiguren - und die einzigen wirklichen Opfer.

Hartmanns Inszenierung ist genau, kurzweilig und mit viel Slapstick ungeniert auf Lacher aus (und das ist als Lob gemeint). Der einzige Vorwurf, der sich erheben lässt: Sie ist in ihrer Perfektion fast ein wenig glatt und geheimnislos.

Fazit: Böses Slapstick-Lustspiel

Stück Kleists Lustspiel ist eine Art bäuerlicher Gerichtssaalkrimi. Richter Adam muss über den Fall eines Kruges urteilen, den er selbst zerbrach.

Regie Matthias Hartmanns Inszenierung ist handwerklich perfekt, voller Slapstick-Witz und böser Pointen. Was fehlt: Geheimnis, Abgrund.

Spiel Michael Maertens führt ein Luxusensemble virtuos an.

KURIER-Wertung
: **** von *****

Mehr zum Thema

  • Hauptartikel

  • Bilder

Kommentare