Hamlet: Mittelschwere Theatersensation im TAG
Wer einen rasanten, klugen, hoch witzigen und tief tragischen, sehr modernen und doch ganz nah am Original gebauten "Hamlet" sehen will, der muss sich in die Gumpendorfer Straße 67 im sechsten Wiener Bezirk bequemen. Die spannendste Theateraufführung seit langer Zeit in Wien gelang ausgerechnet einer kleinen, finanziell derzeit schwer darbenden Off-Bühne.
Verstörung
Das Schöne daran: Dafür verantwortlich ist nicht nur die sehr moderne und trotzdem treu bei Shakespeare bleibende Textfassung von Gernot Plass und seine virtuos musikalische Inszenierung – sondern auch das Ensemble. Gottfried Neuner als verstörter und verstörender Hamlet und Jens Claßen, Horst Heiss, Maya Henselek, Michaela Kaspar, Julian Loidl und Georg Schubert spielen weit, weit über Kellertheater-Niveau.
Es fällt schwer, an dieser Aufführung etwas Kritisierenswertes zu finden. Möglicherweise ist sie mit drei Stunden inklusive Pause um 15 Minuten zu lang (andererseits würde man ihr gerne noch eine weitere Stunde zusehen). Möglicherweise wird der Groove dieses Hochtempo-Sprechkonzerts noch ein wenig dichter.
Metaphysik
Das Schöne: Hier geht sich alles aus. Kabarettistische Anspielungen auf Aktualitäten ("Mein Königreich für einen guten Pressesprecher") ebenso wie präzis getextete Ausflüge in die Metaphysik. So spricht Hamlet seinen Sein-Monolog diesmal wie eine krass komische und gleichzeitig berührend verzweifelte Studentenarbeit in einem Philosophie-Proseminar: "Ist man außerhalb des Seins, dann ist man ja noch immer und damit nur wiederum ein Teil des Seins. Verdammt! Wir kommen da nie raus!"
KURIER-Wertung: ***** von *****
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