"Hamlet" in Bregenz: Spannende Wiederentdeckung

Tenor Pavel Černoch (mit Sabine Winter) ist ein grandioser Hamlet
Franco Faccios kaum gespielte Oper "Hamlet" überzeugt bei den Bregenzer Festspielen

Es beginnt gleich mit einem effektvollen Hymnus. Dann folgen ein beschwingter Walzer zum Hochzeitsfest, wunderbare Cellosoli, später ein anrührender Trauermarsch, beeindruckende Chöre, glutvolle Zwischenspiele, emotional berührende Arien.

Immer wieder hört man Verdi und Puccini durch, aber durchaus auch eine eigene Tonsprache: Bis auf kleine Längen lohnt sich die Wiederentdeckung von Franco Faccios romantischer Rarität "Hamlet" ("Amleto"), dessen Libretto von Arrigo Boito, ganz nah an Shakespeare, stammt.

Zu verdanken ist diese Wiederbelebung der Southwest Opera aus den USA, die diese 1865 in Genua mit Erfolg uraufgeführte Oper, die dann 1871 bei ihrer zweiten Inszenierung in Mailand wegen des erkrankten Tenors durchfiel und in völlige Vergessenheit geriet, 2014 wieder ausgrub. und der Intendantin Elisabeth Sobotka, die in Bregenz für die österreichische Erstaufführung sorgt.

Vital und aufregend

Die Oper wirkt auch umso mehr, weil sie so vital und aufregend von den Wiener Symphonikern unter dem energiegeladenen Paolo Carignani umgesetzt wird: Spannungsvolle Steigerungen, gepaart mit feinen Lyrismen sind aus dem Graben des Festspielhauses zu vernehmen.

Dazu kommt noch ein Tenor zum Niederknien: Denn der junge Pavel Černoch spielt und singt die mörderisch schwere Titelpartie mit unangestrengter Höhe, schöner Mittelage und Durchschlagskraft. Vor allem sein schmerzvolles Abschiednehmen von der toten Ophelia geht unter die Haut. Hamlets Mutter Gertrude wird von Dshamilja Kaiser mit enormer Intensität gesungen.

Seinen Onkel und Brudermörder Claudio gestaltet Claudio Sgura kraftvoll, anfänglich etwas knorrig. Iulia Maria Dan singt die Ofelia, der die schönsten Arien geschenkt wurden, mit großer Zartheit und Innigkeit. Paul Schweinester singt den Laerte ausgezeichnet. Gianluca Buratto besticht als bedrohlicher Geist. Den Prager Philharmonischen Chor hört man stimmgewaltig.

Der hintere Vorhang, ein Abbild des vorderen, öffnet sich und im gleißenden Licht und Rauch erscheint als Schatten in einer Rüstung, die an einen Jedi-Ritter aus "Star-Wars" erinnert, der Vater von Hamlet als Geist.

Efektvoll und stilisiert

So effektvoll lässt Olivier Tambosi dieses Bild der ansonsten meist ziemlich ausgeräumten Bühne (Frank Philipp Schlößmann) des Stückes wirken. Bei den vielen im Stück aufgeworfenen existenziellen Fragen, interessiert den Regisseur hauptsächlich die Grundfrage nach dem "Sein und Schein", weswegen er es als Spiel im Spiel inszeniert und die Welt als Bühne zeigt. Es ist eine in stilisierten, bewusst überzeichneten Kostümen (Gesine Völlm) mit großen, symbolhaften Augen darauf, farbenfrohe, detailreiche Inszenierung, manchmal vielleicht etwas zu plakativ. Jubel!

Von Helmut Christian Mayer

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