Braucht es ein festes Grundeinkommen für Künstlerinnen und Künstler?
Die Pandemie hat viele Kulturschaffende besonders hart getroffen. Keine Auftritte, kein Einkommen. Auch hierzulande wird es für junge Nachwuchstalente immer schwieriger.
Giulia atmet tief aus, nickt ihrem Klavierlehrer kurz zu und fängt an zu singen. Sie ist textsicher, kennt jede Zeile, trifft jeden Ton – und vergisst auch nicht auf den passenden Ausdruck im Gesicht. Regisseurin und Lehrerin Alexandra Frankmann sieht trotzdem noch Verbesserungspotenzial: "Versuch dich emotional noch mehr in die Rolle hineinzuversetzen." Noch einmal von vorne.
Giulia Wegmüller ist 20 Jahre alt und studiert im 3. Jahrgang "Musikalisches Unterhaltungstheater (Musical)" an der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MuK). Derzeit übt sie das Gesangstück „Burn“ aus dem Musical „Hamilton“ für die Rolle der Eliza.
Im Studiengang "Musikalisches Unterhaltungstheater" werden pro Jahr von rund 200 Bewerberinnen und Bewerbern gerade einmal acht aufgenommen. Giulia Wegmüller war vor zweieinhalb Jahren eine davon. Es war ihr zweiter Anlauf. Denn das Aufnahmeverfahren ist hart.
In drei Runden, an je drei Tagen müssen die Bewerberinnen und Bewerber ihre Fähigkeiten in Gesang, Schauspiel und Tanz unter Beweis stellen. Die MuK ist die einzige Universität in Österreich, die eine akademische Musical-Ausbildung anbietet.
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Derzeitige Lage für österreichische Kulturschaffende
Diskussion, um Mindestlohn für Musiker und Kulturschaffende
Kaum mehr feste Anstellungen
Doch eine Jobgarantie gibt es nach dem Studium nicht. Zwar ergeben sich für einige Studierende bereits während des Studiums Engagements für Aufführungen, freut sich Rektor (und Ex-Kulturstadtrat) Andreas Mailath-Pokorny, aber diese sind meist befristet. „Es gibt kaum mehr feste Anstellungen. Denn auch die Kulturbetriebe haben zu wenig Geld. Künstlerinnen und Künstler fest anzustellen, sie zu versichern, das geht sich bei den meisten nicht mehr aus“, klagt Mailath-Pokorny. Und das führt dazu, dass viele Absolventinnen und Absolventen zusätzlich zu ihren Engagements oder sogar hauptsächlich „in der Vermittlung“ tätig sind, als Musik-Lehrende an Schulen oder Hochschulen also.
Während der Corona-Pandemie, als der Kulturbetrieb rigoros eingeschränkt wurde, hat es Musiker und Kulturschaffende besonders hart getroffen. In Deutschland wird deshalb derzeit über eine Art Mindestlohn für Kulturschaffende diskutiert.
Forderung nach finanzieller Absicherung
Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, machte kürzlich im Ö1-Morgenjournal auf die Misere aufmerksam: „Ein Künstler, eine Künstlerin, verdient im Durchschnitt ein bisschen mehr als 16.000 Euro im Jahr. Jeder kann sich vorstellen, dass es schwer ist, davon zu leben. Ich glaube, es gibt keinen anderen wirtschaftlichen Bereich, wo Akademikerinnen und Akademiker für so wenig Geld arbeiten“, begründet Zimmermann die Forderung nach einer finanziellen Absicherung für die fast 450.000 Solo-Selbstständigen in der Kulturbranche in Deutschland.
Die deutschen Bundesländer sind in einem ersten Schritt gerade dabei, sogenannte Basishonorare festzulegen - eine Art Mindestlohn für alle Kulturschaffenden. Und dazu sollen auch Tontechniker oder Beleuchter gehören.
Auch in Österreich Handlungsbedarf
Und in Österreich? Auch in der heimischen Kulturszene sieht man Handlungsbedarf. Schauspieler Cornelius Obonya äußerte sich gegenüber dem KURIER: „Die Entwicklung ist nicht gut. Über ein Grundeinkommen könnte das geregelt werden. Es sollte so sein, dass man als Künstler oder Künstlerin von seinem Beruf leben kann.“ Der arrivierte Burgmime und TV-Darsteller weiß: „Für jüngere Menschen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, ist es besonders schwer.“
Giulia Wegmüller steht kurz vor ihrem Abschluss. Die 20-Jährige macht sich bereits Gedanken, wie es nach dem Studium für sie weitergeht. „Ich hoffe sehr, dass ich nach meinem vierten Jahr irgendwo unterkomme. Aber es ist schwierig. Man muss zu vielen Auditions (Vorsingen) gehen und einfach hoffen, dass es irgendwann klappt.“
Liam Solbjerg ist für das Studium eigens aus Norwegen nach Wien gezogen. Auch er studiert im 3. Jahrgang "Musikalisches Unterhaltungstheater". Die Ausbildung könnte besser nicht sein, findet er: „Man hat so viel Zeit mit den Dozenten allein. Ich habe schon wahnsinnig viel gelernt.“
Solbjerg hat in Wien schon einige Engagements in Aussicht: "Im Sommer bin ich in Mörbisch bei Mamma Mia dabei", erzählt er stolz.
Sorgen über die Zeit nach dem Studium mache er sich derzeit keine, sagt er. Die MuK sei sehr darum bemüht, ihre Studierenden zu vernetzen. Die Uni arbeitet tatsächlich eng mit den Vereinigten Bühnen Wien zusammen. Deren Talente-Scouts besuchen etwa die Jahrgangs-Performances und halten dort Ausschau nach potenziellen Stars.
Für die Studierenden heißt es dann hoffen, dass man positiv auffällt – und eine Rolle ergattert. Und so zumindest für die Spieldauer des jeweiligen Stücks abgesichert ist.
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