So erging es der Produktion von Richard Wagners Bühnenweihfestspiel in der Inszenierung von Jay Scheib schon im ersten Jahr der Wiederaufnahme. Scheib setzt auf „Augmented Reality“, also erweiterte Realität, die man nur vermittels einer speziellen Brille wahrnimmt. 330 von etwa 2000 Besuchern kommen in den Genuss davon, die AR-Brillen werden sogar speziell für sie adaptiert, ein Topservice.
Schwäne und Kometen
Damit sieht man zwar das Bühnengeschehen, rund herum fliegen aber wie in einem Kino in Disney World irgendwelche Dinge dreidimensional durch den Raum. Tiere, vor allem Glühwürmchen und Schwäne, dann Schlangen, Hasen, Speere, Plastikmüll, Kometen – sehr assoziativ alles, perfekt am MIT in Massachusetts, wo Scheib Professor ist, programmiert, die Geschichte von „Parsifal“ durchaus fortführend.
Allerdings wird es rasch eintönig mit dieser Brille und ihrer Bühnenlichtverschmutzung, und sie wird noch dazu so heiß, dass man sich wie in der Klingsor-Sauna fühlt. Also Brille immer wieder runter und schauen, was auf der Bühne real los ist: Leider nicht wirklich viel.
Der Bayreuther Mut, so etwas zu produzieren, ist dennoch beachtlich. Und vielleicht spricht „Parsifal“ als „Mad Max“ wirklich neue Publikumsschichten an.
Gesungen wird jedenfalls phänomenal. Andreas Schager, der zwei Tage zuvor bei der „Tristan“-Premiere Vollgas gegeben hatte, steht schon wieder auf der Bühne – die Rolle des Parsifal liegt ihm wesentlich mehr. Die Macht seines Heldentenors ist auch diesmal mit ihm, zwischendurch phrasiert er aber besser als zuletzt und hat sogar einige Passagen im schönen Piano. Er ist der Marathonmann dieser Festspiele und jetzt schon eine Art sängerischer Olympiasieger.
Georg Zeppenfeld ist grandios als Gurnemanz, wortdeutlich, fein differenzierend. Ekaterina Gubanova als Kundry singt ebenso medaillenverdächtig, dramatisch, aber nie schrill. Derek Welton ist ein guter Amfortas, Jordan Shanahan ein ausdrucksstarker Klingsor, auch Titurel (Tobias Kehrer) und der Chor begeistern.
Dirigent Pablo Heras-Casado zaubert mit dem wunderbaren Orchester einen traumhaften Klang in das Festspielhaus, das für Wagner der einzige legitime Ort für eine „Parsifal“-Aufführung war. Die musikalische Gestaltung ist feierlich, sensibel, dann wieder mächtig, der Karfreitagszauber und die Verwandlungsmusiken gelingen traumhaft schön.
All das überlagert manche AR-Brillenbanalitäten bei weitem.
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