Denn Sona MacDonald ist Marlene Dietrich. Sie singt und spielt sich durch das Leben der Jahrhundertgestalt (1901–1992) mit einer Intensität, mit einer vokalen wie darstellerischen Expressivität, die ihresgleichen sucht.
Ob im Hosenanzug mit Zylinder, ob im glitzernden Abendkleid oder auch nur in Unterwäsche – mir herrlich rauchiger, tiefer Stimme zeigt MacDonald die wechselhafte Geschichte der Dietrich in all ihren Facetten.
Hochpolitisch
Jeder Zoll eine Diva, eine (bisexuelle) Freibeuterin der Liebe und eine politisch engagierte Kämpferin gegen den NS-Terror: In Schlaglichtern skizzieren Fischer und Schäfer nicht nur die Dietrich, sondern auch ein ganzes Jahrhundert. Von der Stummfilmzeit (die Dietrich ist übrigens einst auch in den Kammerspielen aufgetreten) über den "Blauen Engel" bis zum Hollywood-Ruhm und der Einsamkeit der letzten Jahre – Fischer und Schäfer entwerfen anhand der Dietrich ein hochpolitisches, packendes, zeitgeschichtliches Panoptikum mit sehr viel Musik.
Denn MacDonald interpretiert, unterstützt von einer hervorragenden, vierköpfigen Live-Band (Christian Frank, Herbert Berger, Andy Mayerl, Klaus Pérez-SaladoI) selbstverständlich auch viele Hits. Ob "Lili Marleen" , "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre", das hebräische Lied "Shir Hatan" oder "Sag mir, wo die Blumen sind" – Sona MacDonalds Gesang berührt extrem.
Und die Männer der Marlene Dietrich? Sie alle sind bei dem wunderbar wandlungsfähigen Martin Niedermair in besten Händen. Niedermair ist Regisseur Josef von Sternberg, lässt Gary Cooper, Ernest Hemingway oder Jean Gabin erahnen und hält als Schriftsteller ("Ein ziemlich guter!") Noël Coward Zwiesprache mit der Dietrich.
Und das alles vor einem großen Spiegel, in dem sich mitunter auch das Publikum der Kammerspiele wiederfindet. Wobei "Engel der Dämmerung" keine theatralische Nabelschau ist, sondern ein subtiles, mit minutenlangen Ovationen gefeiertes Frauenschicksal.
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