Die Atmosphäre ist einzigartig: Im denkmalgeschützten Grand Hotel de l’Europe, dem wohl am häufigsten fotografierten Gebäude im Bad Gastein, wo einst der Adel, später dann der internationale Jetset anreiste, um mondän zu feiern und im radonhaltigen Heilwasser zu planschen, tanzen nun Twentysomethings unter einem schmiedeeisernen Kronleuchter zu Technobeats.
In Bad Gastein war schon immer einiges möglich. Warum also nicht auch ein Minifestival für elektronische Musik. Die erste Ausgabe des Grand Lighthouse ging von Donnerstag bis heute, Sonntag, Vormittag über die Bühne. 1.500 Gäste reisten dafür an – die meisten aus Österreich und Deutschland. Sie mischten sich zu den Wintersport-Touristen, die zum größten Teil aus Irland, Schweden, Dänemark und Großbritannien kommen. Ausgedacht haben sich diesem Rave in den Alpen die beiden szenebekannten Veranstalter Hennes Weiss und DocLX -Gründer Alexander Knechtsberger, die seit zehn Jahren das Lighthouse Festival in Kroatien, einen Festival-Ableger in Südafrika und (neu) in Zanzibar (15. bis 22. Februar) organisieren. Nun will man zum ersten Mal in Österreich etwas auf die Beine stellen. „Die Idee dazu hatten wir schon länger. Dann kam die Pandemie dazwischen“, sagt Weiss dem KURIER.
Detox
Das Grand Hotel de l’Europe wurde zum Zentrum des Festivals erkoren. Für die Unterhaltung am Dancefloor sorgten namhafte DJs wie die Berghain-Größe Marcel Dettmann, die aus New Yorker stammende Gabrielle Kwarteng und aus Wien angereiste DJ-Crews. Bespielt wurde aber nicht nur das Tal, sondern auch der Bergstadl auf 1.780 Meter Seehöhe. Nach oder vor der Sause konnte man dann nach Belieben seine Zeit verbringen: Angeboten wurden etwa Yoga-Einheiten, etwas Kunst, ein eigenes Restaurant. Man konnte auf der Skipiste oder in der Spa-Landschaft des Hotels seinen Kater bekämpfen: Ein bisschen Detox am Nachmittag, bevor es am Abend wieder toxisch wurde.
Das Grand Lighthouse passt gut zum touristischen Slogan, der Bad Gastein als das „Berlin der Berge“ bezeichnet. Bürgermeister Gerhard Steinbauer kann mit solchen Zuschreibungen nichts anfangen. Auch mit „Monte Carlo der Alpen“ oder „Manhattan der Alpen“ ist er nicht einverstanden, wie er bei einem Gespräch im Gemeindeamt sagt. Der Vergleich mit diesen Metropolen wird gern herangezogen, um die tatsächlich sehr urbane Salzburger Gemeinde in den Alpen potenziellen Besuchern schmackhaft zu machen. Aktuell sind es knapp mehr als eine Million Nächtigungen im Jahr. Diese Zahl halte sich seit vielen Jahren relativ stabil, sagt der Bürgermeister, und ärgert sich über die zahlreichen Medienberichte, die von einem Verfall des Ortes berichtet haben. „Das stimmt so einfach nicht.“ Auf rund 4.000 Einwohner kommen derzeit rund 8.000 Betten. Im Vergleich zu Ischgl sei das lächerlich. Dort kommen 12.000 Gästebetten auf 1.600 Einwohner. Aber Ischgl diene dem Bürgermeister auch als abschreckendes Beispiel: „Wir wollen kein Ballermann der Alpen sein.“
Gegen (noch) mehr Betten spreche aber nichts. Man könne sich in Summe schon 12.000 Betten vorstellen, sagt er. „Dort wo Hotels abgerissen wurden, werden auch wieder neue entstehen.“ Da wäre zum Beispiel das Hotel Mirabell. Von dem nur noch der denkmalgeschützte Kern übrig gelassen wurde. „Das Projekt war bereits auf Schiene, doch dann kam Corona. Seither bewegt sich dort nichts mehr“, ist der Bürgermeister enttäuscht.
Hippe Welle
Neu gebaut werden soll auch auf dem ehemaligen Standort des Hotel Savoy. Dass der Neubau teilweise drei Mal so groß wie davor ausfallen soll, missfällt aber einigen in Bad Gastein. Darunter ist auch Olaf Krohne, der seit 15 Jahren das Hotel Das Regina betreibt. Bei einem Besuch zeigte er die Pläne und schüttelt dabei den Kopf: „Wir gehen dagegen bereits juristisch vor“, sagt der gebürtige Hamburger, der seit 20 Jahren in Bad Gastein lebt. Er ist einer der jungen neuen Kreativen im Ort: Er half beim Aufbau des Hotels Miramonte mit und übernahm später das leerstehende Hotel Das Regina im Zentrum, mit dem die hippe Welle in Bad Gastein losgetreten wurde. Mittlerweile gibt etwa einen Yogafrühling (24. Mai bis 2. Juni), das Kulturfestival „sommer frische kunst“ und die Kunstmesse „art:badgastein“.
Apropos hippe Welle: „Vieles im Leben passiert in Wellen“, sagt der Bürgermeister. Auch Bad Gastein hat eine Achterbahnfahrt der Entwicklung hinter sich – mit der Salzburger Gemeinde ging es bergauf, bergab, steil bergab, und jetzt wieder steil bergauf. „Bad Gastein ist eben verrückt“, sagt Krohne und lächelt. Etwas gemäßigter drückt es der Bürgermeister aus, der von einem „speziellen Ort“ spricht. Nach 20 Jahren im Amt sei in wenigen Wochen für ihn Schluss: Vier Amtszeiten seien genug. In dieser Zeit habe er schon viele Baupläne, Gutachten gesehen und Ideen gehört. „Spruchreif ist erst dann etwas, wenn die Kräne stehen.“
Dass der Bürgermeister so skeptisch ist (oder besser gesagt: realistisch), hat auch mit einem Investor zu tun, der sich 1999 als „Retter von Bad Gastein“ ins Spiel brachte, nachdem der Kurort Ende der Neunziger ins Straucheln gekommen war: Franz Duval. Er kaufte fünf Gebäude und damit fast das ganze Ortszentrum. Danach sanierte er die Häuser aber nicht, sondern ließ sie leer stehen, verfallen.
„Dächer wurden zum Teil nicht mehr repariert und wenn einmal von oben Wasser ins Gebäude eindringt und nichts dagegen unternommen wird, kann man schon eins und eins zusammenzählen“, sagt Gerhard Steinbauer. Und fügt hinzu: „Mehr sage ich dazu nicht mehr. Ich will keine Klage riskieren.“ Zum Glück, sagt der Bürgermeister dann aber noch, sei das Land Salzburg damals (2017) als eine Art Zwischenhändler eingesprungen. Die beiden Häuser wurden erstmal notversorgt und danach zum Nullsummenspiel weiterverkauft – an die Hirmer Verwaltungs GmbH mit Sitz in München, die die Häuser aufwendig renovierte und den alten Glanz zurück ins Zentrum brachte.
Außer Betrieb
Alles gut also? Nicht ganz. Denn es gibt Gerüchte, dass die Hirmer-Gruppe schon wieder nach neuen Käufern Ausschau hält. Der Bürgermeister kommentiert diese Gerüchte nicht, aber im Ort wird derzeit wieder viel geredet. Auch über Philippe Duval, der nach dem Tod seines Vaters Entscheidungen treffen sollte. Ihm gehören im Ortszentrum nämlich noch zwei riesige Gebäude und damit ein Großteil der leerstehenden Gewerbeflächen: das Haus Austria und das riesige Kongresshaus aus den 1970er-Jahren, das mit seiner brutalistischen Bauweise bis heute die Gemüter spaltet. Der auf der dazugehörigen Homepage abrufbare Plan sieht eine Art Gondel-Verbindungsplattform zwischen den Bergen Graukogel und Stubnerkogel vor. Laut Bürgermeister hat man von Philippe Duval aber schon länger nichts mehr gehört. Auch im angrenzenden Selina, dem ehemaligen Hotel Weismayr, wo einst Falco residierte, gibt es derzeit keinen Betrieb. Wann es wieder aufsperren wird, weiß niemand.
Kunst und Après-Ski
So wie im Winter der Nebel in Tal einfällt, um sich nach ein paar Stunden wieder zu verziehen, so verhält es sich auch mit den Investoren. Nur wenige bleiben. Einer davon ist Olaf Krohne, der schon zu viele von diesen Kurzzeit-Investoren, die immer nur auf das schnelle Geld aus sind, gesehen hat. „Deshalb bin ich René Benko auch sehr dankbar“, sagt er.
„Denn durch die Insolvenz der Signa-Gruppe hat sich die Situation in Bad Gastein beruhigt. Die Heuschrecken-Investoren sind erst mal nicht eingefallen“, sagt Krohne. Der Visionär verspricht, mit Gleichgesinnten Bad Gastein positiv mitzugestalten. Dafür will der Hotelier Kreative und Künstler, viele hippe junge Menschen in den Ort bringen. Vor Jahren habe er dafür auch bereist Technopartys veranstaltet und DJs aus dem legendären Berliner Club Berghain einfliegen lassen. „Das ist also nichts Neues, aber ich freue mich, dass es mit dem Grand Lighthouse diesbezüglich wieder ein Angebot gibt.“
Après-Ski darf dabei natürlich nicht fehlen. Dafür wurde eine der bekanntesten Hütten der Gegend für einen gepflegten Einkehrschwung gewählt: die Bellevue Alm. Um die zu erreichen, braucht man nicht einmal Bretter unter den Füßen. Man kann einfach vom Tal den Sessellift nehmen. Der Lift dient auch als Ersatzabfahrt für besonders motivierte Sportskanonen, die nach drei Bier und vier Flying Hirsch die Ski nicht mehr richtig anschnallen können. Vielleicht ist einigen von diesen am Samstag auch aufgefallen, dass zur Abwechslung einmal nicht dumpfe Hits wie „Ich zeig' dir meinen Helicopter“ aus den Boxen dröhnten, sondern DJ Gigola aus Berlin auf Einladung des Grand Lighthouse für eine niveauvollere Hüttengaudi sorgte: Rave statt Schlagerjause. In Bad Gastein war schon immer einiges möglich.
(kurier.at, weise)
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Aktualisiert am 28.01.2024, 13:26
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