Seine dunkelgrellen Bilder müssen nicht auf Nuancen setzen, da sie in diese von uns vorgegebene Diskrepanz hineingebaut sind: Helnwein malt hyperrealistische Bilder von ergeben daliegenden Mädchen, die blutig geschlagen wurden – von wem, man weiß es nicht –, von Kindern, denen nicht näher definierter Ungemach bevorsteht.
Er lässt Hitler freundlich über die Maus lachen, malt riesige Porträts der geradezu unglaublichen Gesichtswunden, die Soldaten im Ersten Weltkrieg erlitten.
Er lässt Mangafiguren vor Brandkatastrophen süß erschrocken dreinschauen.
Es ist die Found Footage, das vorgegebene Material des Irrsinns, den wir gemeinsam aufführen.
Hyper, hyper
Das ist nicht nur hyperrealistisch, sondern auch hypererfolgreich. Und hat auch jenen performativen Charakter, der für die nötige Aufmerksamkeit sorgt. Denn Helnwein erntet bis heute regelmäßig Empörung, was wiederum ein bisschen tragikomisch ist: Anstatt über die Umstände echauffiert man sich lieber über den Künstler.
Der Kunstmarkt wiederum, zu dessen Eigenbild eine gewisse Verkniffenheit gegenüber allzu geradliniger Publikumsansprache zählt, schaut Helnwein quasi von der anderen Seite schief an: Fehlen da nicht ein paar Ebenen?
Die Albertina aber schmückt sich – im Haupthaus, nicht in der Abteilung modern – mit dem Österreicher: Zum 75. Geburtstag Helnweins gibt es eine große Schau zu sehen. Sie sind alle da, die Mädchen mit Maschinenpistole, die unheimlich zugespitzten Figuren aus Entenhausen, die Nazis, die Missbrauchssituationen, die natürlich eh nur im eigenen Kopf mitgedacht werden.
Neue Schauwerte liefern zwei Serien an Schlafbildern, die den Kontrast zwischen Bild und Hintergrund so weit zurückfahren, dass man nur Schemen sieht – und sich die Bilder quasi selbst erarbeiten muss, wie Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder bei der Präsentation sagte.
Die gezeigten „Bilder der Angst“ sind derart großformatig, dass es teils schon wieder ans Absurde streift. Ein Gestus, den man aus einem anderen Eck des heimischen Kunstschaffens kennt, von der Großschreibung VALIE EXPORTS: Mitte der 80er-Jahre habe Helnwein „festgestellt, dass es in der Kunst notwendiger wird, großformatig zu malen, um wahrgenommen zu werden“, erklärte Kuratorin Elsy Lahner.
Das wird er längst. Und auch wenn man beim Einzelwerk rasch an der Grenze der Interpretationsnotwendigkeit angelegt ist: Klar, das Konzept hat einen Punkt, und es ist natürlich gut für ein bisschen kunstkontextgeschütztes Gruseln – nicht zuletzt auch vor sich selbst und den Ambivalenzen, in deren Schatten man lebt. Die ästhetische Verführungskunst streng gescheitelter Männer in SS-Uniform, auf die so viele hereingefallen sind, ist hier als quasireligiöser Gustohappen aufgetischt; und auch derzeit wieder geschehen Kindern im Krieg schrecklichere Dinge, als Helnwein je zeigen würde.
Und man schaut zu.
Ein großes Interview mit Gottfried Helnwein lesen Sie im KURIER am Sonntag.
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