Bislang mussten sich die Kinobetreiber mit Kurzarbeit und Fixkostenzuschuss über Wasser halten; nun stellt die Regierung die rasche Rückerstattung von 80 Prozent des verlorenen November-Umsatzes in Aussicht. Diese Maßnahme wird weitgehend mit Erleichterung aufgenommen. Hans-Peter Obermayr, Geschäftsführer der oberösterreichischen Star-Movie-Kette, hatte – wie viele Kollegen – seine Kinos aufgrund der fehlenden, internationalen Filme fünf Monate schließen müssen. Der Fixkostenzuschuss als Hilfsmaßnahme sei zwar hilfreich gewesen, doch er habe sich angefühlt wie „eineinhalb Blutkonserven: Gebraucht hätten wir aber zehn.“ Den Umsatzersatz hält Obermayr für eine „großartige Maßnahme, die sehr wichtig ist und uns hilft.“
Schon weniger euphorisch nehmen sich die Berechnungen von Christof Papousek aus: „80 Prozent Umsatz-Rückerstattung ist super, aber wir sind ein Unternehmen mit sehr vielen Kinos. Wir brauchen staatliche Unterstützung, die nicht gedeckelt sind. Die betraglichen Einschränkungen auf 800.000 Euro sind für uns wie ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wir bräuchten das Zehnfache – da müsste es besondere Lösungen geben.“
Auch Michael Stejskal, der nicht nur aus der Position des Kinobetreibers, sondern auch aus der des Verleihers spricht, gibt sich nur mit Einschränkung zufrieden: „Der schnelle Umsatzersatz für die Kinos ist zu begrüßen. Aber die Tatsache, dass die Verleiher zumindest bis jetzt noch nicht in dieses Modell einbezogen wurden, ist existenzbedrohend. Die Verleiher haben nicht nur 100 Prozent Umsatzausfall, sondern auch Verluste aus ihrer Investition in jene Filme, die im November gestartet werden sollten. Darüber hinaus ist der Corona Hilfsfonds 2, der den Fixkostenzuschuss betrifft, noch nicht auf Schiene.“
Was bedeutet nun die Corona-Krise für die heimischen Spielstätten? Müssen wir mit einem Kinosterben rechnen?
Für Michaela Englert, Betreiberin des Wiener Admiral Kinos, ist klar, dass die Corona-Krise die Branche nachhaltig verändern wird: „Eine gewisse Strukturbereinigung wird stattfinden, weil sich der Trend, Filme per Streaming anzuschauen, sehr beschleunigt hat. Es ist nicht der Tod des Kinos, aber es wird eine gewisse Ausdünnung geben.“
Tatsächlich trifft es die großen Kinoketten, denen die internationalen Blockbuster fehlen, mit einem Umsatzeinbruch von über 70 Prozent besonders hart: „Wir hatten eine Leistungskapazität von 20 bis 30 Prozent eines normalen Monats“, beklagt Papousek den Besuchermangel während des Sommers: „Desto größer das Kino, desto geringer der Prozentsatz.“
Manche Standorte mussten bereits vor dem neuerlichen Lockdown geschlossen werden, wie etwa das Wiener Artis Kino oder das Annenhofkino in Graz: Das sei aber nur vorübergehend, beschwichtigt Papousek, um „die Kapazitäten zu bündeln und durch eingeschränktes Programm Kosten zu sparen“.
Die kleineren Arthouse-Kinos, die nicht auf amerikanische Großproduktionen angewiesen sind, haben es mit ihrem oft fixen Stammpublikum teilweise leichter, ihr Publikum trotz Streaming-Konkurrenz an der Stange zu halten. Doch auch hier gehen die Filme langsam aus: „Im Independent-Bereich fehlen die attraktiven Filme“, seufzt Gerald Knell, Betriebsleiter des Wiener Filmcasinos:„Filme wie beispielsweise Wes Andersons ,The French Dispatch’ gibt es derzeit nicht.“
Fast alle größeren Crossover-Titel wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.
Das Kino kämpft also an allen Fronten – und muss sich weiterhin der verstärkten Bedrohung durch die Streaming-Dienste stellen. Nicht nur ziehen Netflix & Co. Publikum aus dem Kino ab. So wurden etwa die Pläne des Filmcasinos, Disneys animierte Pixar-Perle „Soul“ im Kino zu zeigen, vom Produktionsstudio durchkreuzt. Das Maus-Studio hatte kurzerhand beschlossen, „Soul“ zu Weihnachten auf seinem eigenen Streamingchannel Disney+ zu verbraten und damit das hauseigene Abo zu pushen, erzählt Krell. Trotzdem: „Kino ist ein Premium-Ort, um Filme zu zeigen. Diese Filme gehen teilweise auf den Streamingplattformen unter, wenn sie nicht vorher im Kino gelaufen sind.“
Nach jetzigem Stand – so sich die Corona-Maßnahmen nicht verschärfen – dürfen die Kinos am 1. Dezember wieder aufsperren. Doch das ist nicht unbedingt einfach: „Zusperren können wir mittlerweile, das Aufsperren ist das Schwierige“, seufzt Wolfgang Steininger, der die Programmkinos Moviemento und City Kino in Linz und das Kino Freistadt betreibt: „Es war mühsam, nach dem ersten Lockdown die Leute dazu zu bringen, wieder ins Kino zu gehen. Insgesamt ist nur ein Drittel der Besucher gekommen.“ Steininger schätzt, dass es nach der unmittelbaren Virenbedrohung ein bis eineinhalb Jahre dauern könnte, bis man das Besuchervolumen aus der Vor-Corona-Zeit wieder erreicht hat – „wenn überhaupt“.
Den Großkinos wiederum macht nicht nur der Mangel an großen Filmen, sondern auch der Mangel an Popcorn schwer zu schaffen. Muss das Kinobuffet aufgrund von Sicherheitsmaßnahmen geschlossen bleiben, fallen sage und schreibe 40 bis 50 Prozent des Gesamtumsatzes weg: „Wenn diese Maßnahme bleibt, zahlt es sich kaum noch aus, dass man aufsperrt“, ärgert sich Hans-Peter Obermayr: „Das Buffet – von der Rumkugel bis zum Glas Wein – macht fast die Hälfte des Pro-Kopf-Umsatzes aus. Es ist überlebensnotwendig, dass wir das offen halten dürfen.“
Ein wichtiger Stichtag für die großen Kinoketten ist jedenfalls der Start des neuen James-Bond-Films Ende März. Vor diesem Termin würde man den Spielbetrieb nur eingeschränkt aufnehmen können, meint Christof Papousek: „Aber am 31. März kommt das amerikanische Blockbusterkino zurück.“
Auch Hans-Peter Obermayr ist zuversichtlich, dass das Publikum wieder in die Kinos zurückfinden wird: „Das Streamen kann den sozialen Aspekt des Kinos nicht ersetzen. Es gibt ja auch noch Restaurants – trotz der vielen Lieferdienste. Man muss fürs Kino noch nicht den Leichenschmaus kochen.“
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