Nach "Fake News": Gerechtigkeit für Marie Antoinette
Natürlich hat sie im Luxus gelebt, in Schlössern residiert und im Überfluss Champagner getrunken, natürlich hat sie teure Kleider und edlen Schmuck getragen. Schließlich war sie die Königin von Frankreich. Aber was Marie Antoinette sonst noch alles unterstellt wird, das würde man heute als „Fake News“ bezeichnen. In Paris wurde vor Kurzem – wie berichtet – eine Ausstellung eröffnet, die der geborenen Österreicherin, die im Zuge der Französischen Revolution hingerichtet wurde, gerecht werden soll.
Zwangsheirat
Die jüngste Tochter der Kaiserin Maria Theresia wurde im Alter von 14 Jahren mit Frankreichs Thronfolger – dem Dauphin – verheiratet, der 1774 als Ludwig XVI. zum König gekrönt werden sollte. Es war, wie so viele Habsburger-Hochzeiten eine Zwangsheirat. Marie Antoinette erfreute sich anfangs in der Bevölkerung großer Beliebtheit, wurde aber bald Opfer einer gehässigen Propagandakampagne, deren Ursprung in ihrem tatsächlichen Luxusleben, aber auch am Hass der Franzosen gegen das Haus Habsburg lag.
Am 2. November 1755 als Erzherzogin Maria Antonia in Wien zur Welt gekommen, verstand sie es nicht, sich bei Hof beliebt zu machen. So sprachen sich in der Bevölkerung ihre rauschenden Feste herum, und dass „l’Autrichienne“, wie sie verächtlich genannt wurde, beim Kartenspiel immense Summen verlor. Und das in einer wirtschaftlich schweren Zeit, in der viele Franzosen hungern mussten.
Viele Geschichten, die über Marie Antoinette erzählt werden, stimmen – wir wissen das, weil der damalige österreichische Botschafter in Paris Depeschen an Maria Theresia nach Wien schickte, in denen er jede Kleinigkeit vom Hof meldete.
Lange kein Thronfolger
Der Hauptvorwurf war, dass sie lange Zeit ihrer wichtigsten Aufgabe nicht nachkam: Einen Thronfolger zur Welt zu bringen. Das soll daran gelegen haben, dass weder sie noch ihr um ein Jahr älterer Ehemann je wirklich aufgeklärt wurden. Maria Theresia schickte deshalb ihren ältesten Sohn Josef II. nach Versailles, um dem jungen Paar endlich beizubringen, was zu tun ist.
Schon hier widersprechen sich die damals in Paris lancierten Gerüchte, wurde doch gleichzeitig verbreitet, dass die Königin etliche Affären hatte, auch mit mehreren Damen ihres Hofs – und das, obwohl homoerotische Beziehungen damals mit Haftstrafen geahndet wurden. Ihr berühmtestes Verhältnis soll aber den schwedischen Grafen Hans Axel von Fersen betreffen. Doch Beweise für all die ihr unterstellten Liebschaften gibt es keine.
Ein eigenes Schloss
Wahr ist, dass die Königin ein ausschweifendes Leben führte. Ihr Schmuck, ihre teuren Kleider, ihre Friseurkosten sind legendär, und von ihrem Mann ließ sie sich – als hätte sie nicht über genügend Paläste verfügt – mit dem Schloss Petit Trianon ein eigenes Refugium bauen. Andererseits weiß man heute, dass die Kosten ihrer Hofhaltung nicht höher waren als die früherer Königinnen.
Nach acht Jahren Ehe – und dem „Besuch“ Josef II. in Versailles – wurde Marie Antoinette endlich eine Tochter geboren. Drei weitere Kinder folgten, darunter zwei Söhne, die beide im Kindesalter starben.
Sie sollen Kuchen essen
Ihren berühmtesten Satz soll die Königin gesagt haben, als das hungernde Volk in den 1780er-Jahren protestierend nach Versailles zog und nach Brot verlangte. Daraufhin hätte Marie Antoinette mit den Worten reagiert: „Wenn das Volk kein Brot hat, dann soll es eben Kuchen essen.“
Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass dieses Zitat von ihr stammt, vielmehr wird es der ersten Ehefrau Ludwigs XIV. zugeschrieben – die das sagte, als Marie Antoinette noch als zehnjähriges Kind in Wien lebte.
Ebenso berühmt wie das falsche Kuchen-Zitat ist die so genannte „Halsbandaffäre“, durch die Marie Antoinette in einen Betrugsskandal verwickelt wurde. Kardinal Rohan hatte einer Gräfin La Motte ein kostbares Diamantenhalsband übergeben, das diese an die Königin weiterleiten sollte. Doch das Halsband ist nie bei Marie Antoinette angekommen, vermutlich hat es die Gräfin veruntreut. Alle Welt glaubte aber, die Königin hätte das Collier unterschlagen. Längst ist erwiesen, dass Marie Antoinette mit der Angelegenheit nichts zu tun hatte.
Als sie kurz nach der Halsbandaffäre bei einem Theaterbesuch vom Publikum ausgebuht wurde, nahm sich Marie Antoinette die Kritik zu Herzen und begann ihren Lebensstil zu ändern, sie lebte nun bescheidener als bis dahin. Doch es war zu spät, der Ruf der Königin war längst zerstört.
Frankreichs Königin lebte sicher verschwenderisch, aber Historiker halten fest, dass sie gegen keine Gesetze verstoßen hätte, dass also eine Verurteilung – noch dazu zum Tod – nicht gerechtfertigt war. Die meisten Unterstellungen und Hasstiraden wurden von Angehörigen der Revolution erfunden, um den gegen sie geführten Prozess zu „legalisieren“. Als Gipfel der Geschmacklosigkeit wurde von ihren Gegnern behauptet, Marie Antoinette hätte ein inzestuöses Verhältnis mit ihrem Sohn gehabt. Sie wurde auch wegen Hochverrats und Unzucht angeklagt.
Die große Marie-Antoinette-Ausstellung in Paris findet an einem denkwürdigen Platz statt: in der Conciergerie, einem an der Seine gelegenen Palast, in dessen Todeszelle die Königin die letzten zwei Monate ihres Lebens verbrachte. Die Conciergerie diente damals als Gefängnis, in dem fast 1200 Menschen ihre Strafen verbüßten.
Von hier aus wurde Marie Antoinette am 16. Oktober 1793 zum Revolutionsplatz – dem heutigen Place de la Concorde – geführt, wo sie enthauptet wurde.
Ihre letzten Worte waren „Pardon, Monsieur“. Sie war dem Henker versehentlich auf den Fuß getreten.
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