Als wär’s schon immer eine Oper

Sopranistin Ilse Eerens (Marianne) mit  Tenor Jörg Schneider (Oskar): Zwei ideale Besetzungen
Bejubelte Uraufführung der "Geschichten aus dem Wiener Wald" von HK Gruber.

Es gibt zahlreiche Opern, die bezüglich Intensität und dramaturgischer Gestaltungskraft mit den literarischen Vorlagen nicht mithalten können, etwa so gut wie alle "Faust"-Vertonungen.

Dann wiederum existieren musiktheatralische Werke, die kraftvoller und überzeugender sind als das Original, denken wir nur an Verdis "Don Carlo".

Wenn nun heute ein Komponist Ödön von Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald", 1931 in Berlin uraufgeführt, vertont, muss er sein Werk an einem der berühmtesten Stücke des 20. Jahrhunderts messen lassen. Dieser Anspruch war wohl auch Heinz Karl Gruber so klar, dass er lange damit zögerte und sogar die Uraufführung bei den Bregenzer Festspielen verschieben ließ: Er brauchte mehr Zeit.

Fotos der Aufführung

Als wär’s schon immer eine Oper

BREGENZER FESTSPIELE 2014: FOTOPROBE "GESCHICHTEN
Als wär’s schon immer eine Oper

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Beklemmend

Nach der knapp dreistündigen Premiere am Bodensee lässt sich jedoch zweifelsfrei konstatieren: Die "Geschichten aus dem Wiener Wald" von HK Gruber können gleichrangig neben jenen von Horváth bestehen, sind vielleicht sogar noch beklemmender und gewaltiger. Sie wirken so überzeugend, dass man sich fragt: Waren die "Geschichten" nicht immer schon auch eine Oper? Horváth selbst dachte an eine Vertonung von Kurt Weill, was er bekam, ist nicht schlechter.

HK Gruber, "Nali" genannt, erweist sich in Bregenz als meisterhafter Tonsetzer und raffinierter Rhythmiker, er ist auch klug genug, in die Fallen, die es bei Horváth gibt, nicht zu tappen. Ironie und Zynismus haben keinen Platz, der Autor hat sich auch explizit gegen die Verwendung des Dialektes ausgesprochen, um seine Geschichte aus der Enge der Josefstadt zu holen. Marianne, die Tochter des Zauberkönigs, die den Fleischhauer Oskar am Tag der Verlobung verlässt, um mit dem Hallodri Alfred durchzubrennen; die erzkatholische Gesellschaft, die ein radikales Urteil über sie spricht und den Tod ihres Kindes in Kauf nimmt, um fürderhin nicht in Sünde leben zu müssen – das kann bis hin zum Bodensee und weit darüber hinaus passieren.

Grubers Komposition verwendet das wienerische Idiom immer nur als Schnipsel, um es gleich wieder, im Stil von Arnulf Rainer, zu übermalen. Wenn der titelgebende Walzer von einer Klavierschülerin schlecht gespielt wird, fährt sofort die Tuba dazwischen. Oskars Auftrittsarie erinnert fast an jene des Sängers im "Rosenkavalier", aber nur kurz. Manchmal glaubt man den Ochswalzer zu erkennen, der prompt vom Blech torpediert wird. Auch wenn Gruber die Rodolfo-Arie "Che gelida manina" zitiert, folgt sofort ein Bruch.

Bestechend

Das Werk beginnt und endet mit einem dissonanten Akkord als Aufschrei. Dazwischen beweist Gruber, dass er mühelos zwischen Stilen zu changieren vermag, keinen Dogmen verpflichtet ist. Jazz, Swing, sanfte tonale Passagen, kraftvolle Ausbrüche koexistieren wie selbstverständlich. Er entwickelt alles aus der Musikalität der Sprache und erinnert kompositorisch durchaus an Vorbilder wie Weill oder Strawinsky.

Die Wiener Symphoniker spielen das harte, fordernde, rhythmisch enorm anspruchsvolle Werk mit Hingabe und Überzeugungskraft, sodass der Komponist, in Personalunion auch Dirigent, am Ende vor ihnen kniet.

Das enorm präzise, Horváth ideal für die Opernbühne aufbereitete Libretto stammt von Michael Sturminger, der auch Regie führt. Eine derart klare, bildgewaltige Inszenierung und eine so fabelhafte, kitschbefreite Bühne (Renate Martin und Andreas Donhauser), die rasche Szenenwechsel ermöglicht), kann man sich vor allem bei der Präsentation einer neuen Oper nur wünschen.

Sturminger zeichnet Alfred als schwachen Allerweltstypen und nicht vordergründig als Ungustl. Er packt genügend Erotik in die Geschichte, wird aber nie derb.

Berührend

Seine Personenführung in zeitgemäßen Kostümen ist berührend, drei Protagonisten erweisen sich als Idealbesetzungen: Ilse Eerens als Marianne (erst vor Kurzem eingesprungen), die das unschuldige Mädchen glaubhaft spielt und ihre Partie mit der enorm hohen Tessitura tadellos bewältigt; Jörg Schneider als Oskar, optisch eine Mischung aus Pavarotti und Qualtinger, sängerisch ein Tenor mit schönem Timbre und guter Höhe; sowie Angelika Kirchschlager, die die Trafikantin Valerie zum Zentrum macht, mit lasziver, aber nie plakativer Darstellung und an Weill orientiertem (Sprech-)Gesang.

Daniel Schmutzhard singt den Alfred gut und schön lyrisch, Anja Silja ist eine Großmutter mit gewaltiger Ausstrahlung, Michael Laurenz (Erich) die Demaskierung eines pseudo-intellektuellen Nazi. Der Zauberkönig des Alfred Pesendorfer wirkt zu harmlos. Die kleineren Partien sind fein besetzt.

Das Publikum bejubelte den Auftakt der letzten Saison von Intendant David Pountney. Schön, wenn am Ende etwas Neues steht.

Fazit: Ein Triumph

Uraufführung HK Gruber (Musik) und Michael Sturminger (Libretto) machten aus Horváths „Geschichten“ eine Oper. Die Musik ist dramatisch und intensiv, die Regie hart und gnadenlos, die Besetzung gut. Noch zwei Mal in Bregenz, ab März 2015 an der Wien. Vielleicht wird manches sogar noch nachgeschärft.

KURIER-Wertung:

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