Weil Kunstgalerien als „Geschäfte“ und nicht als „Freizeiteinrichtungen“ gelten, bleibt es fürs Erste möglich, diese Resonanzräume weiterhin zu betreten – bei freiem Eintritt und ohne Konsumzwang übrigens. Im aktuellen Wiener Ausstellungsreigen lässt sich dabei ein Parcours spinnen, der zeigt, wie verschiedene Künstlergenerationen auf das Jetzt reagieren und mit Natur und Technik, Überwachung und Macht oder mit Nähe umgehen.
Für Menschen, die ihre Sozialisierung in den 1990er Jahren erfahren haben, scheint es dabei fast so, als wären die Pixies wieder auf Tour: Mit Heimo Zobernig, Hans Weigand, Gerwald Rockenschaub und Gunter Damisch sind mehrere Helden, die bereits damals reüssierten, mit Einzelausstellungen präsent.
Zobernig (*1958) zeigt in der Galerie Meyer Kainer (bis 19. 12.) quadratische Gemälde, auf denen der Schriftzug „InfraStrucNature“ auszumachen ist (siehe rechts). Die in verschiedenen Farben gestalteten Bilder hängen zu je drei oder vier Exemplaren in eigenen Raumabteilen, was wie eine Abfolge von Akkorden anmutet: Bei Zobernig geht es nie ums Bild allein, sondern auch um die Präsentation, das Theatralische – (Infra-)Struktur eben.
Auch Gerwald Rockenschaub (*1952) nebenan in der Galerie Krobath (bis 19. 11.) versteht es, mit Bildern und Objekten musikalisch-rhythmische Qualität zu erzeugen; seine neuen Werke arbeiten zudem noch mit feinen Gravuren und belohnen genaues Hinsehen.
Ein höchst interessantes Echo dazu liefert der US-Künstler Gaylen Gerber (*1955), auf den der Galerist Emanuel Layr durch Zobernig aufmerksam geworden war: In Layrs Innenstadt-Galerie präsentiert er Skulpturen des 19. Jahrhunderts und einen ausgestopften Kojoten auf Holzpodesten, dazu drei Bilder, zwei davon sind eigene Frühwerke. Nun aber ist alles weiß oder grau übertüncht, der Fokus rückt vom Bildinhalt zur Frage, wie wir Kunstwerke verwenden und warum: Das unglaublich präzise Arrangement ergibt tatsächlich ein theatrales Erlebnis, bei dem Kunstwerke die Akteure sind (bis 28. 11.).
Die graue Farbe begegnet auch noch in der Ausstellung von Leopold Kessler (*1976) im Projektraum Viktor Bucher in der Praterstraße: Der Künstler zeigt dort, wie er ein Geländer der Floridsdorfer Brücke samt als Liebesbeweis montierten Schlössern in Grau (vom Typ RAL 9006) überpinselte – oder vielleicht doch in die Sphäre der Kunst entrückte? Dass die Schlösser auch Gefangenschaft symbolisieren, ist Kessler gewiss bewusst – baute er für eine andere Aktion doch ein Bild von Michel Foucault, Autor des Werks „Überwachen und Strafen“, derart auf einen Hügel bei Krems, dass Insassen der Justizanstalt Stein dieses sehen konnten.
Das Überwachungsthema findet sich auch bei Hans Weigand (*1954) in der Galerie Gabriele Senn (bis 19.12.) – symbolisiert durch Drohnen in Szenarien zwischen kalifornischer Feelgood-Stimmung und Apokalypse. Ein Flügelaltar, der eine antike Laokoon-Gruppe in eine technoide Umgebung verpflanzt, imponiert hier nachhaltig. Mit seiner virtuosen Handhabung von Malerei, Schnitz- und Drucktechniken unterstreicht Weigand dazu den Wert „klassischer“ Techniken in digitaler Zeit.
Bei „Untitled Projects“ nebenan zeigt sich dagegen das Potenzial neuer Formate: Das Duo Marie Munk (*1988) und Stine Deja (*1986) hat hier eine an die „Matrix“-Filme, aber auch an Bruno Gironcoli gemahnende Maschine installiert, bei der amorphe Massen an einer Art Nabelschnur hängen und von automatischen Wiegen geschaukelt werden. Dahinter schmiegen sich computergenerierte, organisch anmutende Formen aneinander und stellen die Frage, was „Nähe“ heute eigentlich bedeutet.
In der von amöbenhaften Formen bewohnten Welt von Gunter Damisch (1958 – 2016) hatte es eine solche Entfremdung nicht gegeben: Die Schau, die die Galerie Hilger bis 28.11. im (auch von außen gut einsehbaren) Parterre des Hochhauses Herrengasse zeigt, führt eine Einheit und innere Ruhe vor, die heute selten geworden scheint. Und die – konserviert auch in Form eines schönen neuen Künstlerbuchs – etwas Zuversicht zu spenden vermag.
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