Wie fühlen Sie sich vor der Kamera?
Im Mittelpunkt zu stehen, ist für mich nichts Außergewöhnliches mehr. Ich halte als Speakerin Vorträge und leite Workshops. Aber vor Entscheidungsträgern oder Arbeitern eines Unternehmens zu reden, ist etwas anderes. Die Rolle als TV-Expertin ist für mich immer noch eine relativ neue. Ich schaue mir nach jedem meiner Auftritte meine Performance an, analysiere mich selbst und schaue, was ich besser machen kann. Ich hole mir auch immer Feedback von anderen ein. Das habe ich als Spielerin auch so gemacht. Es ist meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit, wie man besser werden kann.
Sie sind, was die Vorbereitung betrifft, eher das Gegenteil von Herbert Prohaska, der das alles mit seiner Routine oder nach Bauchgefühl macht. Stellen Sie sich auch auf Ihre TV-Kollegen im Studio ein?
Klar. Das spielt auch eine Rolle, weil man ja zusammenarbeiten muss. Das ist wie auf dem Platz. Es geht darum, auf das Gegenüber einzugehen und im besten Fall Gesprächssituationen herzustellen, in denen man das Spiel gemeinsam analysieren kann.
Der Schmäh sollte dabei aber nicht zu kurz kommen.
Natürlich geht es dabei nicht nur um knallharte Analysen und Kommentare, sondern auch um Unterhaltung. Dazu gehören auch Schmähs. Ich glaube, der Zuschauer muss einfach gerne zuschauen. Das Entscheidende ist, dass man sich selbst treu bleibt, sich nicht versteift oder verkopft, nicht irgendetwas sein möchte, was man nicht ist. Die Menschen vor dem Fernseher merken das, wenn man sich verstellt.
Macht es einen Unterschied, ob Sie ein Spiel von Männern oder Frauen kommentieren?
Klar. Wenn es um Frauenfußball geht, kann ich persönliche Geschichten einbringen und habe Insider-Informationen, die ich bei einem Männerfußballspiel nicht immer habe. Ich habe mit vielen der Frauen, die jetzt im Nationalteam spielen, selbst zusammengespielt. Ich kenne deren Stärken und Schwächen. Das ist der einzige Unterschied. Im Endeffekt geht es im Fußball aber um Taktik, Emotionen, Ergebnisse und Erfolg.
Versuchen Sie auch, von anderen Experten zu lernen, sich da was abzuschauen?
Auch wenn viele nicht zur Konkurrenz schauen wollen, mache ich das sehr wohl, zum Beispiel zu ServusTV. Dort, und das sage ich jetzt nicht, weil Sebastian Prödl mein Cousin ist, muss ich sagen, dass Sebastian und Florian Klein das bislang sehr gut machen. Ich finde, die bringen ihre Expertisen gut ein. Das alles hat Hand und Fuß. Das funktioniert vielleicht auch deshalb sehr reibungslos, weil sich die beiden schon länger kennen. In England habe ich mir auch immer viele Spiele auf BBC mit Alex Scott angesehen. Die ist großartig. In England ist man, was Frauen als Fußballexpertinnen betrifft, aber auch schon viel weiter.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie als Frau in dieser Männerdomäne immer ganz ernst genommen werden?
Nein. Es gibt immer noch bodenlose sexistische Kommentare. Und mit solchen Aussagen wie: „Eine Frau hat nix im Männerfußball zu suchen“, kann ich nichts anfangen. Was ist das für ein Argument?! Es ist ja auch nach wie vor so, dass bei Frauen genauer hingeschaut wird: Was hat sie an? Wie sieht sie aus? Auch alles, was ich sage, wird auf die Waagschale gelegt und hinterfragt. Bei Männern ist das nicht der Fall. Das ist aber kein österreichisches Problem, sondern gibt es überall, wo Frauen im Fußball aktiv sind.
Sie sind für den ORF auch im Stadion im Einsatz. Kommen dort blöde Sprüche von den Rängen?
Nein, nur selten. Von Angesicht zu Angesicht gibt es da noch eine Hemmschwelle. Im Internet sieht die Sache schon anders aus. Diese Kommentare schaue ich mir aber nicht mehr an, denn das macht mich nur traurig, obwohl ich schon einiges gewohnt bin: Ich habe in meinem Leben schon mehr blöde Kommentare als aufbauende gehört.
Ihre Analysen kommen ohne Hättiwari-Philosophie aus. Sehr unösterreichisch …
Man sollte nichts schönreden, aber auch nichts schlechter machen, als es ist. Ich habe stets einen realistischen Blick auf die Sache. Von dem „Was-wäre-wenn“-Spiel halte ich nichts. So verliert man nur den Fokus und die Energie, die man für andere Dinge benötigt. Ich halte auch nichts vom Jammern, das ist einfach nicht mein Naturell. Ich hatte viele Phasen in meiner Profi-Karriere, in denen es mir nicht gut gegangen ist. Wenn du dann nur jammerst und negative Dinge siehst, dann kommst du nicht voran. Bei mir geht stets der Blick nach vorne.
Wie finden Sie die neue Schiedsrichterregel, dass nur noch der Kapitän mit dem Schiedsrichter diskutieren darf? Finden Sie die Regel gut?
Grundsätzlich ist sie gut. Denn letztendlich geht es darum, den Spielfluss so wenig wie möglich zu stören. Für die Spieler ist das aber eine große Umstellung. Denn plötzlich darf nur noch einer, nämlich der Kapitän, mit dem Schiedsrichter reden. Ich denke, dass die Schiedsrichter in diesem Fall nicht zu streng sein sollten, denn als Spieler ist es schwer, sich da von einem Tag auf den anderen umzustellen. Ich würde es übrigens auch noch begrüßen, wenn man Schwalben stärker ahnden würde – und zwar konsequent mit einer gelben Karte.
Was ist bislang die größte Erkenntnis für Sie im Laufe der EM gewesen?
Aus sportlicher Sicht ist die EM bislang sehr attraktiv. Es gab bereits viele spannende Spiele und es fallen einige Tore. Es wird sehr offensiv gespielt. Teams, die passiv agieren, werden bestraft. Wer nicht aktiv ist und mit wenig physischer Präsenz auf dem Platz steht, wird nicht belohnt. Mut macht sich bezahlt.
Was sind Ihre Favoriten auf den EM-Titel?
Frankreich, England und Deutschland. Das waren meine Favoriten, meine Top drei vor Beginn der Europameisterschaft. Ich bleibe dabei.
Spielen Sie auch bei einem Tippspiel mit?
Nein, denn ich möchte nicht, dass man mir nachsagt, dass ich in meiner Expertinnen Rolle nicht neutral bin.
Verraten Sie mir drei Ihrer derzeitigen Lieblingsspieler?
Mhh, das ist schwer. Da gibt es einige. Jamal Musiala ist für mich derzeit einer, der für einen modernen Fußball sehr viel mitbringt. Dann würde ich auch noch Eriksen von Dänemark nennen, dessen Comebackstory einfach unglaublich ist. Diesen Mut, wieder auf dem Platz zu stehen und dann auch noch eine tolle Leistung zu bringen, finde ich herausragend. Und dann würde ich noch Christoph Baumgartner nennen. Er ist einer, der das Spiel der Österreicher sehr gut verkörpert, das ausmacht, was diese Mannschaft derzeit ausmacht.
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