Fünf Fragen zur Lage der Nation

Fragen über Fragen erfordern Antworten.
Fünf Fragen zur Lage der Nation an Intellektuelle und Kunstschaffende: Karin Bergmann, Sabine Derflinger, Olga Neuwirth, Erika Pluhar, Peter Turrini, Skero.

Der KURIER stellte Künstlern und Kulturschaffenden zur Perspektiverweiterung fünf Fragen zur Zukunft Österreichs, was das Land braucht und was nach der Wahl passieren wird – abseits des parteipolitischen Kleinkrieges. Hier lesen Sie die ersten Antworten, weitere werden folgen.

KURIER: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Zukunftsthema?
Peter Turini (Schriftsteller und Dramatiker): Teilen.

Das Thema Migration wird von drei Parteien massiv besetzt. Ist das Miteinander verschiedener Kulturen in unserem Land eigentlich so schwer?
Viele Leute mögen die Ausländer nicht, aber die größten Fremdenhasser sind derzeit führende Politiker. Sie essen zu viel, sagen sie über die Fremden und überbieten sich gegenseitig mit Vorschlägen, wie man die Rationen immer weiter kürzen könnte. Und außerdem seien sie potenziell kriminell, heißt es über die Migranten. Die einzige Gruppe, die in Österreich wirklich überdurchschnittlich kriminell ist, sind Bankdirektoren, siehe Hypo-Alpe-Adria oder Bawag.

Fünf Fragen zur Lage der Nation
Interview mit dem österreichischen Schriftsteller Peter Turrini. Kleinriedenthal, 09.12.2015

Was wäre die schlimmste Situation, die nach dieser Wahl eintreten könnte?
Dass die Linke, die wenigstens Ansätze zu mehr politischer Gerechtigkeit hat, untergeht.

Vor welchen Herausforderungen wird die neue Regierung stehen?
Wenn Kurz und Strache eine Regierung bilden, steht nicht diese vor einer Herausforderung, sondern wir: Wie sollen wir diese Schaumschläger ertragen?

Gibt es ein Grundübel, an dem dieses Land krankt?
Österreich ist ein Einwanderungsland, seit Jahrhunderten. Die Österreicher sind vermischte Wesen, Promenadenmischungen, die den Vorteil ihrer Mischkulanz nicht wahrnehmen wollen und sich immer wieder als reinrassige Schäferhunde ausgeben. Das Gründübel dieses Landes ist die mangelnde Selbsterkenntnis!

Olga Neuwirth

KURIER: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Zukunftsthema?
Olga Neuwirth (Komponistin): Kommunikation. Das heißt, weiterhin versuchen miteinander zu kommunizieren trotz unterschiedlicher Meinungen, Auffassungen von Lebens- und Ausdrucksformen. Und gegen den ständig und überall lauernden Hass und Rassismus ankämpfen, wo immer möglich. Dazu braucht es aber trotz Verhöhnungen und Drohungen von diversen Seiten Mut. Ich bin gegen das oft eingeforderte Schweigen und Hinnehmen von sogenannten Tatsachen, nur damit kein Problem entsteht. Meinungsfreiheit und Recht auf Protest sind aus meiner Sicht wichtige Zukunftsthemen, weil sie die Qualität des Zusammenlebens bestimmen.

Fünf Fragen zur Lage der Nation
ABD0031_20150310 - WIEN - ÖSTERREICH: Staatsoperndirektor Dominique Meyer und die österreichische Komponistin Olga Neuwirth am Dienstag, 10. März 2015, im Rahmen eines Pressegesprächs zum Thema "Olga-Neuwirth-Auftragswerk" in Wien. - FOTO: APA/HANS KLAUS TECHT

Das Thema Migration wird von drei Parteien massiv besetzt. Ist das Miteinander verschiedener Kulturen in unserem Land eigentlich so schwer?
Natürlich stellt sich zwischen „mir und der Welt“ heute so vieles, dass das Einzelwesen nicht mehr verstehen kann, aber das „Schwere des Miteinanders“, wie Sie das nennen, wird den Menschen auch von früh bis spät in unserer gespalteten Gesellschaft (medial) eingeredet. Und da das Thema Migration in unserem Land auf fruchtbaren Boden fällt, funktioniert die Stigmatisierung des „Anderen“ auch so schnell und radikal, weil man den „Anderen“ sofort als Sündenbock für alles hernehmen kann. Es gibt immer beide Seiten: die eine, die durch populistisches Reden und Verhaltensweisen (persönliche) Macht akquirieren will, und die andere Seite, die dafür offen ist. Sonst würde es nicht funktionieren.

Was wäre die schlimmste Situation, die nach dieser Wahl eintreten könnte?
Naja, die schlimmste Situation... Solange wir noch in einem Rechtsstaat leben und weiterhin dazu stehen, will ich noch hoffen. Aber das „Schlangenei“ ist eindeutig da, dessen muss man sich bewusst sein.

Vor welchen Herausforderungen wird die neue Regierung stehen?
Wie überall auf der Welt: vor unzähligen von nationalen und internationalen Problemen.

Gibt es ein Grundübel, an dem dieses Land krankt?
Die fest in die österreichische Identität eingewebte Intoleranz dem „Unbekannten“ gegenüber. Von Antisemitismus bis Fremdenhass, die traurigerweise so schnell wieder aktiviert werden können, wenn der Einzelne das Gefühl bekommt, er kommt zu kurz. Auch weil sich das Land der Vergangenheit nie wirklich gestellt hat. Und: der Neid, der alles zerfressende, zerstörende Neid.

Erika Pluhar

KURIER: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Zukunftsthema?
Erika Pluhar (Schauspielerin, Sängerin und Schriftstellerin)Uns davor zu hüten, das schwer errungene Miteinander in einem demokratischen, offenen, letztlich wohlbestallten Staat – welcher Österreich IST! Ich kann es beurteilen! Habe Krieg und Nachkriegszeit als Kind erlebt – jetzt auf unbelehrbare Weise wieder aufzugeben. – Und weltweit gesehen ist es natürlich die Frage der ökologischen Verwüstung unseres Sterns, der wir uns ausliefern.

Das Thema Migration wird von drei Parteien massiv besetzt. Ist das Miteinander verschiedener Kulturen in unserem Land eigentlich so schwer?
Wenn wir Rassismus und Fremdenfeindlichkeit beiseitelassen oder besiegen könnten – diese uns manipulativ aufgedrängte Angst –, dann könnten wir lernen, dieses Miteinander (oben schon zitiert) zu schaffen. Meine Großeltern väterlicherseits kamen aus der Tschechoslowakei – ich habe als Gymnasiastin bei der Versorgung von Ungarn-Flüchtlingen mitgeholfen –, es ging sich immer aus. Jetzt ist es unsinnig, die Augen vor einer weltweit uns ereilenden Völkerwanderung zu verschließen. Wir können lernen, Erfahrungen sammeln – und es schaffen! Ganz wie Frau Merkel es sagte und meinte.

Fünf Fragen zur Lage der Nation
Interview mit der österreichischen Schauspielerin Erika Pluhar anlässlich der Arbeit an ihrem im September 2016 erschienenen neuen Buch "Gegenüber". Wien, am 25.07.2016.

Was wäre die schlimmste Situation, die nach dieser Wahl eintreten könnte?
Ein neuer Faschismus.

Vor welchen Herausforderungen wird die neue Regierung stehen?
Obiges zu vermeiden. Und Österreich seine Lebensqualität und – ja! – Schönheit gegen alle (klarerweise vorhandenen, aber zu bewältigenden) Widerstände und Schwierigkeiten zu bewahren.

Gibt es ein Grundübel, an dem dieses Land krankt?
Der Mangel an politischer Bildung und Weitsicht, Vernunft und Empathie. Und das Anwachsen des Hass-Potentials. Daran krankt aber eben nicht nur unser Land, und das macht unser Heute so gefährdend.

Sabine Derflinger

KURIER: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Zukunftsthema?
Sabine Derflinger (Filmregisseurin und -produzentin): Klima und Umweltschutz

Das Thema Migration wird von drei Parteien massiv besetzt. Ist das Miteinander verschiedener Kulturen in unserem Land eigentlich so schwer?
Menschen sind auf diesem Planeten in Bewegung – freiwillig und unfreiwillig. Das war immer schon so. Für unsere Kultur ist das schön und bereichernd, realpolitisch schafft das Herausforderungen, die gelöst werden wollen, hier und global, wir leben in einer gemeinsamen Welt.

Fünf Fragen zur Lage der Nation
Sabine Derflinger

Was wäre die schlimmste Situation, die nach dieser Wahl eintreten könnte?
Narzisstische Politiker, die ihre Macht nutzen, die Demokratie in Österreich zu gefährden.

Vor welchen Herausforderungen wird die neue Regierung stehen?
Neudefinition von Arbeit und Erwerbstätigkeit, Versorgung der Menschen, soziale Gerechtigkeit, visionäre Wirtschaftsmodelle, Geldbeschaffung durch Besteuerung, Mitwirkung an der Friedenssicherung in Europa, internationale Entmachtung von Konzernen, Ermächtigung von demokratischen Staaten.

Gibt es ein Grundübel, an dem dieses Land krankt?
Korrupte Biederkeit bei denen, die Macht haben, und die Sehnsucht nach irgendeiner Vater/Kaiserfigur, die‘s richten wird, bei denen, die sie nicht haben. Also fehlendes Verantwortungsgefühl auf beiden Seiten und ein unerklärlicher Mangel an Vertrauen in eine Zukunft ohne Feindbilder.

Karin Bergmann

KURIER: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Zukunftsthema?
Karin Bergmann (Burgtheaterdirektorin): Soziale Gerechtigkeit, Bildung und ein starkes Europa .

Das Thema Migration wird von drei Parteien massiv besetzt. Ist das Miteinanderverschiedener Kulturen in unserem Land eigentlich so schwer?
Offenbar ist schon das Miteinander gleicher Kulturen kein Leichtes... Bewältigbar sollten beide sein. Dass Parteien das Thema im Wahlkampf in den Vordergrund rücken, nährt und schürt Neid und Ängste und dividiert eine Gesellschaft auseinander. Statt Mut zu machen und den Menschen, die in einem der reichsten Länder der Welt leben, aufzuzeigen, wie ein Miteinander gehen kann, wird das Thema als „Sündenbock“ in die Arena geschickt.

Fünf Fragen zur Lage der Nation
Interview mit Burg-Chefin Karin Bergmann am 13.03.2017 im Wiener Burgtheater.

Was wäre die schlimmste Situation, die nach dieser Wahl eintreten könnte?
Monatelange Koalitionsverhandlungen, die das Land lähmen, unter Beteiligung einer Partei, die im Wahlkampf „Kreide gefressen“ hat, aber ihre zutiefst fremdenfeindliche, rückwärtsgewandte und europaskeptische Haltung nie abgelegt hat.

Vor welchen Herausforderungen wird die neue Regierung stehen?
Vertrauensbildend zu wirken. Alte Fehler zu vermeiden. Aber auch die Verantwortung zu übernehmen, die ein politisches Mandat bedeutet. Hinter der Vokabel „direkte Demokratie“ steht auch „Ich wasche meine Hände in Unschuld“.

Gibt es ein Grundübel, an dem dieses Land krankt?
Die leichtgläubige Liebe zu jungen feschen Männern. Und jahrelanges Proporzdenken, das zu einer großen Politikverdrossenheit in der Bevölkerung geführt hat. „Ihr seid sehr wohl ein Volk, ihr habt sehr wohl eine Vision. Und zwar eine tollkühne: Alles soll bleiben, wie es ist.“ Henrik Ibsen, Ein Volksfeind

Skero

KURIER: Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Zukunftsthema?
Skero (Musiker und Stimme der Initiative 05): Ein faires Sozial und Steuersystem welches die schwierigen Aufgaben im Sozialbereich lösen kann.

Das Thema Migration wird von drei Parteien massiv besetzt. Ist das Miteinander verschiedener Kulturen in unserem Land eigentlich so schwer?
Weil drei Parteien es ständig zum Thema machen und billige Emotionen damit schüren. Auf der anderen Seite steht ein ebenfalls teils konservativer Islam der oft die Europäischen Werte nicht als Freiheit sondern als Gefahr ihrer Traditionen sieht.

Fünf Fragen zur Lage der Nation
Skero

Was wäre die schlimmste Situation, die nach dieser Wahl eintreten könnte?
Ein zweites Schwarz-Blau.

Vor welchen Herausforderungen wird die neue Regierung stehen?
Gemeinsame Lösungen zu den wichtigen Themen zu finden anstatt starre Parteipositionen zu vertreten nur um sich von den andern abzugrenzen.

Gibt es ein Grundübel, an dem dieses Land krankt?
Die FPÖ hat schon unter Haider einen Style der Vereinfachungen und Verhetzungen eingeführt. Politik ist aber kompliziert und sollte mehr auf Basis wissenschaftlicher Fakten arbeiten und unabhängigen Fachleuten vertrauen. Die Bürger müssen wieder mehr vertrauen in eine Politik gewinnen die gemeinsam an optimalen Lösungen für unsere Zukunft arbeitet.

Die Initiative O5 ist mit dem Motto „Represent Yourself“ angetreten, um die Wahlbeteiligung unter jungen Menschen zu steigern. Nach dem Vorbild der Kampagne "Rize Up" in Großbritannien wird zur Teilnahme an politischen Prozessen aufgerufen. Speziell Jugendliche tendieren dazu, von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch zu machen da sie sich von klassischen Wahlkampagnen kaum angesprochen fühlen. Diesen Entwicklungen stellt sich die Initiative O5 mit ihrem Engagement entgegen.

Über das Sprachrohr namhafter Künstler will die Initiative O5 das Interesse junger Menschen für politische Teilhabe wecken. Die österreichische Wortakrobatin und Rapperin Yasmo und ihr männliches Pendant Skero sind zwei der mehr als 50 prominenten Unterstützer, die unterstreichen wollen, wie wichtig es ist, am 15. Oktober wählen zu gehen. Weitere Namen auf der Unterstützungsliste sind unter anderem: Ankathie Koi, Brenk Sinatra, Def Ill, Demolux, DJ Phekt, Patrick Pulsinger, Soia, Svaba Ortak und Wolfgang Schlögl.

Wer schweigt, stimmt zu

Der Name der Kampagne hat historischen Hintergrund: Die Widerstandsgruppe O5, initiiert durch bürgerlich-konservative Kräfte, war ein überparteilicher Zusammenschluss von bürgerlichen, sozialistischen, kommunistischen und religiösen Gruppen und somit das Symbol des gemeinsamen Kampfes gegen Faschismus und Nationalsozialismus und für ein freies Österreich – über Parteigrenzen und Ideologien hinweg. Der Widerstand der Initiative O5 richtet sich auch 2017 gegen Hass und Diskriminierung in der Politik. O5 will Bewusstsein dafür schaffen, dass jede Stimme zählt – und dafür, dass alle, die schweigen, zustimmen.

Unterstützt wird O5 von den Vorsitzenden der roten Jugendorganisationen (SJ, AKS, VSSTÖ, JG, FSG Jugend, Kinderfreunde, Rote Falken) und weiteren Initiativen aus der Zivilgesellschaft (Bock Auf Kultur,Reumannblast, Jugendtreff Nordbahnhof, Bassena in der Leopoldstadt uvm). Keiner der Unterstützer hat Einfluss auf den Inhalt der Kampagne.

Mehr Infos zu der Initiative 05 finden Sie hier.

Fünf Fragen zur Lage der Nation
Unterstützer der Initiative O5.

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