Frische Wagnerklänge bei Festspielen Erl

Frische Wagnerklänge bei Festspielen Erl
Festspielchef Gustav Kuhn fährt in Erl mit "Tannhäuser" und den "Meistersingern" zwei viel umjubelte Erfolge ein.

Erl und Bayreuth vergleichen? Nein, das geht nicht. Zwar wird an beiden Orten Jahr für Jahr Wagner gespielt. Und es gibt beiderorts Würstel in der Pause. Am augenfälligsten sind aber die Unterschiede: Im Tiroler Ort Erl ist nicht nur ein Hügel grün. Das Passionsspielhaus liegt in idyllischer Wald- und Wiesenlandschaft, zum Erreichen desselben flaniert man an vorgelagerten Schafen vorbei. Die nächstliegende Wiese ist derzeit ein bisschen weniger grün - dort, auf einer großen Baustelle, entsteht bis Ende 2012 das neue, winterfeste Aufführungshaus für die Jahreszeit, in der die Hügel weiß sind.

Und in Erl gibt es Wagner-Festspiele der anderen Art: Gustav Kuhn, das am vergangenen Wochenende bei den "Meistersingern" und beim "Tannhäuser" wieder viel umjubelte Kraftpaket, stemmt Jahr für Jahr ein Programm, das man ruhig mit Extrembergsteigen vergleichen kann. Er spielte etwa 2005 den gesamten "Ring" innerhalb von 24 Stunden - ein so singuläres wie sportliches Ereignis. Im Normalbetrieb paart sich unter seiner Ägide - Kuhn dirigiert und inszeniert bei den von ihm geleiteten Festspielen - Jahr für Jahr ländliche Spritzigkeit mit künstlerischer Ernsthaftigkeit, ein stimmiger Umgang mit recht spartanischen Bühnenbildern mit viel Spielfreude der Musiker.

Flott

Dieser frisch durchlüftete Zugang zu Wagner zeigt sich heuer insbesondere bei den wieder aufgenommenen "Meistersingern": Das - wir sprechen es jetzt einmal rundheraus aus - zuweilen doch von einer gewissen Zähheit durchtränkte Werk flutscht unter Kuhns Antrieb so flott vorbei, als wären es nur vier statt fünfeinhalb Stunden. Da taucht man dann um halb elf aus der Aufführung auf, erstaunt über den resthellen Abendhorizont, und wundert sich, wo die Zeit geblieben ist.

Die für Erl typische sauerstoffangereicherte Kernigkeit äußerte sich aber auch exemplarisch in der Titelpartie des neu produzierten "Tannhäuser": Tenor Luis Chapa kommt mit einer derart energiereichen Ungestümheit auf die Bühne, dass man ihm gerne ein paar Drachen zum Töten vorsetzen würde. Doch halt, das wäre das falsche Wagner-Werk.

Chapas hochtouriger Tenor fügt sich dann aber überraschend stimmig in die Produktion. Kuhn hat darin die weiblichen Aspekte hervorgestrichen, lässt Venus (überzeugend: Mona Somm) und Elisabeth (sehr stark: Nancy Weißbach) gleichberechtigter als üblich neben den Tannhäuser treten und am Schluss zu einer Art übergroßer Frauengestalt verschmelzen.

Überhaupt kommen viele Frauen auf die Bühne, rekeln sich dort des Öfteren lasziv - oder laufen leider auch etwas ziellos herum. Da gerät die Personenführung nicht ganz so geglückt, aber der "Tannhäuser" wartet mit viel Sehens- und Hörenswertem auf. Michael Kupfer etwa gab einen überaus starken Wolfram von Eschenbach, das junge, hinten auf der Bühne platzierte Orchester agierte höchst flexibel, von stürmisch bis fragil. Mit stilisiertem Bühnenbild und Schulterpolsterlastigen Kostümen, mit starkem Chor (Accademia di Montegral) und ausbaufähiger Beleuchtung geriet die Produktion letztlich zum vollen Erfolg: Kuhn und seine Mitstreiter durften sich langen Jubel und Standing Ovations abholen.

Stimmsieger

Den Sängerwettstreit zwischen den beiden Sängerwettstreit-Opern gewann übrigens der "Tannhäuser" recht klar. Bei den "Meistersingern" waren wiederholt Durchsetzungsprobleme zu bemerken. Michael Baba überzeugte als Walther von Stolzing. Oskar Hillebrandt (Hans Sachs) und Franz Hawlata (Veit Pogner) bekamen viel Applaus. Insgesamt aber gab es auch hier viel zu schauen: Beckmesser am Laptop, offensichtlich Spaß habende Kinder als deutsche Lehrbuben und -mädchen und lustige, "z"-förmige Universal-Möbelstücke auf der Bühne. Und auch hier am Schluss: einstimmiger Jubel.

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