Fridays for Future: Musikerin darf wegen Dreadlocks nicht auftreten

Fridays for Future Summer Congress Germany
Bei einer Kundgebung in Hannover sollte eigentlich auch die Sängerin Ronja Maltzahn auftreten. Doch die Aktivisten haben die Künstlerin ausgeladen - weil weiße Menschen keine Dreadlock-Frisur tragen sollten.

Die Musikerin Ronja Maltzahn darf nach einem Entschluss von Fridays for Future wegen ihrer Dreadlocks nicht wie zunächst geplant bei einer Demonstration in Hannover auftreten. Die Hannoveraner Ortsgruppe der Klimaschutzbewegung sagte einen Auftritt der Künstlerin an diesem Freitag in der Innenstadt ab, wie die Gruppe am Mittwoch auf ihrer Website mitteilte.

Die Aktivisten begründeten die Absage mit der Frisur der Sängerin. Dreadlocks seien in den USA ein Widerstandssymbol der Bürgerrechtsbewegung schwarzer Menschen geworden. „Wenn eine weiße Person also Dreadlocks trägt, dann handelt es sich um kulturelle Aneignung, da wir als weiße Menschen uns aufgrund unserer Privilegien nicht mit der Geschichte oder dem kollektiven Trauma der Unterdrückung auseinandersetzen müssen“, schrieben die Klimaschützer.

Maltzahn hatte die Absage selbst auf ihren Social-Media-Kanälen öffentlich gemacht. In der von der Gruppe an die Musikerin gesendete Nachricht hörte sich die Grund für die Absage so an: "Dreadlocks bei weißen Menschen sind eine Form der kulturellen Aneigung, da sie mit der Identität von Schwarzen Menschen (Wort fehlt, Anm.) und es in den Zeiten der Sklaverei von weißen Menschen als ein Zeichen der Unterdrückung genutzt wurde. Daher sollten weiße Menschen keine Dreadlocks tragen, da sie sich einen Teil einer anderen Kultur aneignen ohne die systematische Unterdrückung dahinter zu erleben.”

Weil man "auf ein antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ" setze, sei es "nicht vertretbar", eine "weiße Person mit Dreadlocks auf der Bühne zu haben."

Angebot, Haare abzuschneiden

Die Aktivisten hofften, dass sich Maltzahn "damit auseinandersetzt"  und boten zu diesem Zweck auch einen Austausch nach der Demo an. Außerdem boten sie an, die Musikerin auftreten zu lassen, wenn sie sich dazu entscheiden würde, ihre Dreadlocks abzuschneiden.

Der Schluss der Botschaft hört sich dann fast so an, als hätte man eine Band mit extremistischem Gedankengut angesprochen: "Uns tut es leid, dass wir es überhaupt zu der Situation haben kommen lassen und uns nicht ausführlich genug damit beschäftigt haben, welche Künstler*innen für unsere Demo angefragt werden."

Die Musikerin reagierte zunächst relativ gefasst und fast verständnisvoll: „Wir hatten uns darauf gefreut ein Zeichen für Frieden und gegen Diskriminierung mit unserer Musik setzen zu dürfen. Schade dass wir aufgrund von äußerlichen Merkmalen davon ausgeschlossen werden.“ Es gehe darum, kultureller Vielfalt eine Bühne zu geben und für Achtsamkeit, Toleranz und Geschlechtergerechtigkeit einzustehen. „Ich hoffe dass unsere Zuhörer dieses Bild durch unsere Musik vermittelt bekommen und nicht das Gegenteil“, schrieb die Musikerin.

Kein "sicherer Raum"

Fridays for Future Hannover erklärte zu der Absage, es sei der Gruppe wichtig, „BiPoCs (Schwarze, indigene und People of Color) Raum innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung zu geben“, der ihnen bis jetzt nicht genug eingeräumt worden sei, aber schon häufig eingefordert wurde. Dies müsse konsequent passieren, „weil das Auftreten einer weißen Person mit Dreadlocks auf unserer Bühne für BiPoCs den Eindruck erwecken kann, dass diese Bewegung für sie keinen Safer Space darstellt“ - also keine geschützte Umgebung ohne Diskriminierung biete. „Deshalb haben wir uns dazu entschieden, Ronja Maltzahn abzusagen.“

Die Aktivisten der Klimaschutzbewegung baten in der Mitteilung die Musikerin aber auch um Entschuldigung. Der Vorschlag an Maltzahn, sie könne ja bis Freitag ihre Haare abschneiden, sei ein Eingriff in die Privatsphäre der Künstlerin gewesen, der so nicht hätte passieren dürfen, teilte Fridays for Future später mit.

Maltzahn: "Interessiert an verschiedenen Kulturen"

Die Absage habe sie „überrascht und auch ein wenig schockiert“, sagte Maltzahn der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem die Ansprache habe sie als unsensibel empfunden. „Dass wir grundsätzlich in unserer Gesellschaft genau gucken, wo steckt überall Diskriminierung drin, das befürworte ich sehr.“ Aber es sei auch wichtig, den Kontext dabei nicht außer Acht zu lassen.
„Tatsächlich kommt meine Inspiration, Dreads zu tragen, aus alternativen Kreisen“, sagte die Sängerin. Sie sei interessiert an verschiedenen Kulturen. Auf Reisen und Auslandsaufenthalten seien ihr viele Menschen mit Dreadlocks begegnet. „Ich finde es künstlerisch schön, aber auch das Lebensgefühl, was damit verbunden wird, fand ich sehr passend für meine Lebenseinstellung“, sagte sie.

Bislang habe sie wegen ihrer Haare eher andere Reaktionen erhalten. Häufig würden Menschen mit ihrem Erscheinungsbild assoziieren, dass sie vielleicht vegan lebe oder grün eingestellt sei.
Maltzahn sagte, sie hoffe, dass die angestoßene öffentliche Debatte das Bewusstsein für Diskriminierung in der Gesellschaft schärfe. Auch mit Fridays for Future wolle sie in einen Austausch kommen. „Ich möchte da keinen Konflikt anzetteln.“

Nach Angaben ihres Musikverlags Timezone Records in Osnabrück macht Maltzahn Musik aus dem Genre Worldpop. Die 28-Jährige kommt aus Bad Pyrmont, lebt in Münster und Hannover und spielt Cello, Gitarre, Ukulele und Piano. Zudem tritt sie mit einem größeren Folkensemble auf, dem Blue Bird Orchestra. „Wir sind eine bunte Band, aus verschiedenen Nationalitäten, singen auf verschiedenen Sprachen, in verschiedenen Stilistiken und zelebrieren die Vielfalt und wollen keinesfalls Menschen diskriminieren“, sagte Maltzahn.

Beim globalen Klimastreik an diesem Freitag (25. März) wollen nach Angaben von Fridays for Future Menschen überall auf der Welt für Klimagerechtigkeit und Frieden demonstrieren - von Taiwan über Nigeria bis nach Australien. Allein in Deutschland sind Aktionen an 240 Orten geplant.

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