Freud oder Jung - "Ich wäre für beide ein guter Patient"

Herbert Föttinger als "Sigmund Freud" und Michael Dangl (r.) als "Carl Gustav Jung" während der Fotoprobe von "Eine dunkle Begierde" im Josefstadt Theater.
Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger über seine Rolle als Sigmund Freud und warum er keine Bedenken hat, als Streber dazustehen.

Vor Kurzem wurde er als Josefstadt-Direktor verlängert, ab morgen steht er als Sigmund Freud auf der Bühne: Herbert Föttinger spricht im KURIER-Interview über Kulturjobs und und seine Kultur-Image-Kampagne ("Hier wird Fantasie verschwendet – Steuergeld nicht").

KURIER: Hat Sie die Bestellung Tomas Zierhofers zum Festwochenintendanten überrascht?

Herbert Föttinger: Ein bisschen schon. Bei Luc Bondy hatte man das Gefühl, es kommt eine Lichtgestalt der Regiekunst. Danach kam Markus Hinterhäuser, ein vom Geist durchdrungener Homo musicus. Und nun kommt jemand, der das Zeug hat, alles hinzukriegen. Aber die Lichtgestalt muss er sich noch verdienen.

Möglicherweise möchten sich große Namen die Festwochen derzeit einfach nicht antun

Das weiß ich nicht. Wenn man bei klarem Verstand ist und ein friedvolles Leben führen will, sollte man sich die Leitung eines Theaters grundsätzlich nicht antun. Die Festwochen müssen ja immer versuchen, das Herausragende und Neue aus der ganzen Welt nach Wien zu holen. Im KURIER stand zu lesen, bei den Festwochen würden innovative Wege der Theaterkunst vorgeführt, wie man sie sonst in Wien nicht findet. Kann schon sein, aber trotzdem muss ich Ihnen mit einem leichten Grummeln sagen: Die Festwochen sind nach sechs Wochen vorbei, wir müssen unsere Häuser zehn Monate füllen. Auch wir schaffen manchmal Spitzenproduktionen, aber zwischendurch waten wir auch durch die Mühen der Ebene.

Sie waren im Gespräch als Hartmann-Nachfolger.

Das Burgtheater ist eine feine Adresse, gewiss, aber mein Wohnsitz ist die Josefstadt. Jetzt habe ich diesen Wohnsitz renoviert, von unten bis oben, und die Nebengebäude auch. Das Burgtheater hat ein Gesamtbudget von 60 Millionen im Jahr, wir nicht einmal die Hälfte. Die entscheidende Frage ist: Wohin fließt das Geld? In die Kunst? In den Apparat?

Wohin fließt es in der Josefstadt?

Wenn man rackert und spart, wie wir es tun, bleiben etwa 25 Prozent für die Kunst. Die Gehälter steigen, die Subventionen nicht. Ich will mehr Kohle für die Kunst und ich hoffe, dieser Aufschrei ist bis in die Ministerien zu hören.

Sie sind seit bald zehn Jahren hier. Auch dieses Haus war in der Bredouille. Sie sind mit Unterstützung eines engagierten Aufsichtsrates aus den roten Zahlen herausgekommen.

Wenn man nicht täglich in die Kassa schaut, ist man schnell wieder dort. Ich bin ja ein Mischwesen: Ich brenne für die Kunst. Aber ich will beweisen, dass in meiner Künstlerseele auch ein Buchhalter Platz hat. Ich will nicht, dass dieses Haus wieder in die finanzielle Schieflage gerät.

Sie sind aber gelernter Schauspieler und nicht Betriebswirt.

Theaterdirektor habe ich auch nicht gelernt und bin es trotzdem geworden. Außerdem habe ich einen sehr guten kaufmännischen Direktor an meiner Seite.

Sie starten nun eine Kampagne...

… ja. Heute wird an jedem Biertisch gesagt, diese Theaterleute verprassen unser Steuergeld. Da muss klar dagegengehalten werden: Jeder Euro, der für Kunst ausgegeben wird, kommt doppelt wieder herein. Kunst bringt Kohle! Das Taxigewerbe, die Hotels, so vieles lebt von den Kulturtouristen. Was würden die Motschkerer sagen, wenn es einmal in Wien für einen Monat keine Kulturveranstaltung gäbe? Oder kommen die Japaner, die Italiener, die Spanier wegen der Burenwurst nach Wien? Nichts gegen die Burenwurst, aber alles für die Kunst.

Es ist also eine Imagekampagne für Theater an und für sich. Das Volkstheater hat nun ebenfalls mit einer Kampagne auf seine Budgetprobleme aufmerksam gemacht (siehe S. 17). Haben Sie, dessen Theater heute gut dasteht, nicht Bedenken, wie der unsympathische Streber im Kulturbetrieb zu wirken?

Und wenn das Theater der Josefstadt mit einem Berg von Schulden dastehen würde, wie anno dazumal, was bin ich dann? Der unfähige Geldvernichter? Der Mann, der nicht wirtschaften kann. Na, dann bin ich doch lieber der unsympathische Streber.

Naja, allein Erster sein ist ja ein schönes Gefühl.

Wissen Sie, was ein schönes Gefühl ist? Wenn man in acht Jahren 30 Millionen Euro für Renovierungen auftreibt. Ich habe, gemeinsam mit dem Stiftungsrat, an alle Türen geklopft. Manchmal wurde uns die Tür sofort aufgetan, manchmal haben wir wochenlang davor kampiert. Am Ende gab es eine renovierte Josefstadt, die umgebauten Kammerspiele und eine tolle Probebühne. Da könnte man ja vor Freude an Fortuna, die Theatergöttin glauben.

Das Metaphysische passt zur nächsten Premiere: Der Uraufführung von Christopher Hamptons Stück, das erzählt, wie sich Sigmund Freud und sein Schüler C. G. Jung entzweiten.

So ein Stück gehört nach Wien. Hier hat ja die Seelendoktorei angefangen.

Sind Sie selbst eher Freudianer oder ein Jung-Anhänger?

Sie fragen einen von Leidenschaften getriebenen Theaterdirektor, ob ihm Freud oder Jung lieber wäre? Ich glaube, ich wäre für beide ein guter Patient.

Das Oscar-Stück Herbert Föttinger, 53, ist seit 2006 Direktor des Theater in der Josefstadt und wurde vor kurzem bis 2021 verlängert. Ab Donnerstag ist er als Sigmund Freud in der Uraufführung von Christopher Hamptons Stück „Die dunkle Begierde“ zu sehen. Der Oscar-prämierte Dramatiker hat das Stück für die Josefstadt auf Basis seines Drehbuchs geschrieben, das 2011 von David Cronenberg mit Viggo Mortensen verfilmt wurde.

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