Im Jahr 1975 war der Roman „Ich spucke auf Euch: Eine Frau am Punkt Null“ von Nawal El Saadawi eine mutige Anklage patriarchaler Strukturen. Die britisch-libanesische Komponistin Bushra El-Turk schuf aus dieser Inspiration die multimediale Oper „Woman at Point Zero“ . Sie und Librettistin Stacy Hardy haben die ägyptische Schriftstellerin El Saadawi stärker in die Figur der Sama eingeschrieben. El Saadawi hatte 1974 selbst Insassinnen des Qanatir-Gefängnisses besucht.
Zur multimedialen Oper wird die Darbietung durch eingespielte urbane Geräusche und eine Videoleinwand im Hintergrund, auf der verschiedene Handlungen und Körperregionen in Nahaufnahme zu sehen sind. Zudem wurden weitere Stimmen hinzugefügt - von heutigen Frauen mit ähnlichen Schicksalen.
Im Zentrum des Geschehens steht der gesungene Dialog zwischen den beiden Frauen, eine äußere Handlung ist praktisch nicht vorhanden. Fatma erzählt ihre Geschichte, die eine Geschichte der brutalen sexuellen Unterdrückung ist. Eindrücklich wird etwa eine Genitalverstümmelung geschildert, auch eine Massenvergewaltigung auf dem Tahrir-Platz in Kairo.
Frei im Gefängnis
In Fatmas Bericht erkennt Sama ein Spiegelbild ihrer eigenen Probleme. Trotz der Enge des Gefängnisses, das hier nur mit ein einigen Stahldrähten symbolisiert ist, sagt Fatma: „Ich bin im Gefängnis. Aber ich bin frei.“ Und über ihre Tat sagt sie: „Ich bin zwar eine Mörderin, aber ich habe kein Verbrechen begangen.“
Diese Aussagen (auf Englisch gesungen) sind zwar kämpferisch, aber werden von Orsho meist sehr ruhig intoniert. Etwas engagierter wirkt Babelegoto, entweder aus Entsetzen oder durch die Neugier der Dokumentaristin. Der Vortrag der beiden ausgezeichneten Solistinnen wechselt zwischen Rede, Rezitativ, traditionellem arabischem Lied und ist nur in Ansätzen arienhaft.
Intensität entsteht hier und da durch Tempoerhöhungen, die Dirigentin Kanako Abe mit akkurater Stabführung setzt. Das Ensemble Zar webt mit östlichen und westlichen Instrumenten einen vielschichtigen Klangteppich aus orientalischer und zeitgenössischer abendländischer Musik.
Die halbszenische Inszenierung Laila Solimans setzt auf Minimalismus, dramatische Akzente entstehen fast ausschließlich durch die heftige Sprache. Die Videoeinspielungen wirken dermaßen beliebig, dass sie mit der Zeit gar nicht mehr auffallen. Trotz der kurzen Spieldauer von einer Stunde bleibt der Eindruck eines dichten Erlebnisses. Etwas mehr Effekt hätte dem Abend dennoch nicht geschadet.
Das Wiener Festwochenpublikum zeigte sich begeistert. Minutenlange Ovationen im Jugendstiltheater auf der Baumgartner Höhe.
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