Franzosen und ihre Frechheiten
Wenn alle vier Töchter Ausländer heiraten, ist Feuer am Dach: Die französische Komödie "Monsieur Claude und seine Töchter" (ab Freitag im Kino) karikiert wunderbar die Vorurteile gegen das Fremde. Über acht Millionen Menschen haben den Kinoerfolg des Jahres in Frankreich bereits gesehen – eine intelligente Komödie über ein gut situiertes konservatives Paar, dessen vier Töchter sich in einen Araber, einen Chinesen, einen Juden und einen Schwarzen verlieben. Ein Überraschungserfolg selbst für den Regisseur Philippe de Chauveron.
KURIER: Monsieur Chauveron, haben Sie je damit gerechnet, dass dieser Film so einschlagen könnte?
Philippe de Chauveron: Nein, ich staune noch immer. Dass sich Millionen Menschen ins Kino bemühen, um ausgerechnet meinen Film zu sehen, so etwas kann man nicht voraussehen. Ich dachte mir zwar schon während der Dreharbeiten bei ein paar Szenen, das ist komisch. Aber dass das so gut ankommt, hätte ich nie gedacht. Wahrscheinlich erkennen sich die Leute in dem Film wieder. Die Franzosen lieben es ja, sich über alles lustig zu machen. Auch über ihre eigenen Befindlichkeiten und Frechheiten. Voilà, ich zeige sie ihnen auf der Leinwand.
Sie haben einen Nerv getroffen. In Frankreich gibt es ja die höchste Zahl an gemischten Ehen in ganz Europa.
Ja, das stimmt. Einer oder eine von vier Franzosen heiratet einen Angehörigen einer anderen Ethnie. Warum das so ist? Ich erkläre es mir so, dass die Mehrheit der Franzosen den Kommunitarismus vermeiden wollte und stattdessen wollte, dass sich alles vermischt. Das funktioniert natürlich oft nicht und bringt viele gesellschaftliche Probleme mit sich, aber im Großen und Ganzen gibt es einen Konsens darüber, dass es gut und richtig ist.
Aber die französische Politik vermittelt – siehe die jüngste EU-Wahl – ein anderes Bild: Da war die extreme Rechte mit ihren ausländerfeindlichen Parolen die Gewinnerin. Ist die Toleranz gegenüber dem Fremden dann wirklich so groß?
Ich sehe das nicht so. Ich glaube, dass die meisten, die Marine Le Pen gewählt haben, keine Rassisten und Ausländerhasser sind, sondern dass sie schlicht und einfach die Nase voll haben von der Politik, die ihren Alltag prägt. Das Wahlergebnis ist ein Protest, ein Aufschrei, und die Rechte ist Nutznießer dieses Aufschreis. Aber das ist doch in anderen europäischen Ländern genauso, oder?
Sehen Sie Ihren Film als Statement gegen den Rassismus?
Nein, ich wollte keinen Film mit einer Botschaft machen. Das würde ja als Komödie nicht funktionieren. Ich wollte einfach zum Ausdruck bringen, dass wir zusammenleben müssen und das möglichst angenehm für alle Beteiligten gestalten sollten. Auch wenn es Vorurteile gibt: Machen wir das Beste draus. Amüsieren wir uns gemeinsam!
Haben Sie in den Film auch eigene Erfahrungen eingeflochten?
Ja, die Familie Verneuil ähnelt meiner sehr stark. Auch meine Eltern sind konservativ, wenn auch nicht so streng wie Monsieur Claude. Ich war eine Zeit lang mit einer schwarzen Frau zusammen und mein Bruder hat eine Arabischstämmige geheiratet. Mein Script ist also wirklich aus dem Leben gegriffen.
Christian Clavier ist als gestrenger Familienvater, dem ob seiner vier Schwiegersöhne die Grausbirne aufsteigt, der titelgebende Star des Films: Monsieur Claude. Im richtigen Leben ist der Erzkomödiant – bekannt als Asterix im Kinofilm mit Gerard Depardieu – auch ein Star. So bedrängt von den französischen Medien, dass er seit drei Jahren in London lebt. „Für mich die richtige Entscheidung, weil ich eine äußerst konfliktreiche Beziehung zur französischen Presse aufgebaut hatte“, so der 62-Jährige. „Man warf mir zunehmend mein freundschaftliches Verhältnis zu Nicolas Sarkozy vor. Das hat mich irgendwann genervt. Jetzt fühle ich mich wohl.“
Den großen Zuspruch zum Film erklärt sich Clavier damit, dass dieser „keine Sekunde lang rassistisch ist. Sobald einer der Akteure etwas Negatives über Ausländer sagt, macht er sich lächerlich. Das nimmt dem Provokateur den Wind aus den Segeln“.
Wie würde er die Philosophie des Films auf den Punkt bringen? Clavier: „Man kann Vorurteile haben, aber man muss die Schneid haben, sie auch ablegen zu können.“
Clavier ist überzeugt, dass eine gute Komödie ein ernstes Thema haben muss: „Das ist das Prinzip der Komödie: ein schweres Thema, das möglichst amüsant abgehandelt wird. So wie hier.“
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