Letztes Jahr hätte man den 140. Geburtstag von Franz Kafka feiern können. Denn der Schriftsteller wurde am 3. Juli 1883 in Prag geboren. Doch man wartete lieber zu, um heuer den 100. Todestag – Kafka starb am 3. Juni 1924 in Kierling bei Klosterneuburg – begehen zu können. Der unscheinbare, verklemmte Jurist mit der exakten Sprache hatte zwar keine Stücke, nur Erzählungen und Romane geschrieben, aber just die Theater ehren Kafka.
Am 17. Jänner hat im Rabenhof „Maurer.Kafka.Komisch“ Premiere, am 20. Jänner im Akademietheater „Die Verwandlung“ und zeitgleich am Landestheater in St. Pölten „Der Prozess“. Den Startschuss gab das Theater der Jugend in Wien: Der Titel „Im Panoptikum des Franz K.“ nährte die Hoffnung, eine facettenreiche Einführung in das erstaunlich abgründige Werk Kafkas zu bekommen. Zumal der zweieinhalbstündige Abend, am Freitag in der Spielstätte im Zentrum uraufgeführt, für Teens (ab 13) angekündigt worden war. Und er begann auch naheliegend: mit Nachrufen von Anton Kuh und der Journalistin Milena Jesenská, zu der Kafka ab 1919 eine Beziehung pflegte.
In die Irre geführt
Diese nicht ganz unwichtigen Figuren vorzustellen (die Namen werden bloß im Programmbillett angeführt), hat sich Regisseur Gerald Maria Bauer erspart. Sie spielen eben gar keine Rolle in dem sehr eingeschränkten „Panoptikum“, das er zusammen mit Sebastian von Lagiewski „aus den Tagebüchern Franz Kafkas“ (aber nicht nur, wie sich zeigt) zusammenstellte. Die jüngste zitierte Eintragung stammt aus dem September 1917. Behandelt wird also nur die Zeit mit Felice Bauer.
Unmittelbar danach folgt der letzte Brief, den Kafka 1924 an die Eltern schrieb, und jener an seinen Freund Max Brod, in dem er ihn bittet, so gut wie alles zu verbrennen. Dass es sich bei der erwähnten Milena Pollak um die verheiratete Milena Jesenská handelt, weiß jeder Dreizehnjährige natürlich.
Phasenweise vermag Gerald Maria Bauer durchaus zu unterhalten. Beispielsweise, wenn er Tagebucheinträge thematisch – etwa über das „vollständige“ oder „fast vollständige Misslingen“ beim Schreiben – bündelte. Doch daraus lassen sich keine Dialoge zimmern: Das vierköpfige Ensemble, grau gewandet und mit Melone, hastet beim Aufsagen der Textpassagen ununterbrochen durch das in der Tat faszinierende Bühnenbild von Friedrich Eggert, ein Archiv aus Aktenordnern mit 13 Treppchen. Es verweist auf den Roman „Der Prozess“ – und das Gespräch daraus zwischen K. und dem Maler Titorelli stellt auch den Höhepunkt des Abends dar.
Ja, das ist Theater. Der Rest ein „fast vollständiges Misslingen“. Um die Modernität zu betonen, wird die Lebensgeschichte in die 30er-Jahre oder noch später verortet: Jasper Engelhardt klopft als Franz K., der seine Tagebücher mit der Hand schrieb, andauernd hektisch in eine Reiseschreibmaschine. Der Soundtrack mit dem wilden Geklapper (samt Klingelzeichen am Zeilenende) erinnert stark an die Dramatisierung von Ingeborg Bachmanns „Malina“ (derzeit im Volkstheater). Und es nervt irgendwann, dass Engelhardt immer wieder auf die höchste Plattform rennen und seinen Mantel in die Tiefe segeln lassen muss. Schade.
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