Fortsetzungsroman von Thomas Raab: Neurosen und Altlasten

Fortsetzungsroman von Thomas Raab: Neurosen und Altlasten
Der bekannte österreichische Autor Thomas Raab hat im KURIER einen täglichen Fortsetzungsroman geschrieben. Hier nun im Gesamten.

Liebe Leserinnen und Leser.

Vor drei Tagen hat mich Gert Korentschnig, stellvertretender Chefredakteur des KURIERs, angerufen und mir begeistert einen Köder zugeworfen, den ich aus Gründen der Vernunft nie und nimmer hätte annehmen dürfen. Gerade die Vernunft muss nun mehr denn je treibende Kraft sein, uns zuhause halten, das Leben wie es ist gestalten, das Leben wie es war hinterfragen, und das Leben wie es eines Tages sein könnte neu erfinden. Durch Venedig schwimmen keine Dampfer mehr, sondern Delphine. Nichts wird und darf wieder werden, wie zuvor.

Trotzdem muss so ein Mensch auch ein bisschen unvernünftig bleiben dürfen, Grenzen überwinden. Wir würden uns sonst heut noch vor dem Feuer fürchten, hätten nie die Schokolade erfunden, mit oder ohne ganze Nüsse, ja und überhaupt die Liebe? Unvernunft in Reinsubstanz. So entsteht Leben. Genau darum hab„ ich dann doch Ja gesagt. Lassen Sie uns also ein bisschen unvernünftig sein, verrückt, spinnen, auch im Sinne von Anfertigen. Von Wohnzimmer zu Wohnzimmer. Von meinem Schreibtisch direkt zu Ihnen. Es ist nur ein Spiel. Ein Seiltanz ohne Netz.

Ich fang eine Geschichte an, einen Roman vielleicht, unberechenbar, so wie eben grad auch die Gegenwart, ohne Wissen um den Ausgang, ohne die Chance zurückzuarbeiten, vielleicht kommt mal eine Corinna darin vor, aber garantiert kein Corona, vielleicht kommen wir dadurch für ein paar Zeilen auf andere Gedanken. Das Schöne an der Freiheit des Schreibens ist die Freiheit. Und ich vermute, so ist es auch mit unserem Leben, denn für all jene Purzelbäume, die in Ihren Köpfen geschlagen werden, während Sie zuhause sitzen, gibt es wahrscheinlich gar keine Worte, und hoffentlich auch keine Grenzen.

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