"Fortnite" vor Gericht: Ein Tanz auf rechtlichem Minenfeld

"Fortnite" vor Gericht: Ein Tanz auf rechtlichem Minenfeld
Eine Klage gegen die Macher des populären Games wirft die Frage auf, wem Bewegungen gehören

„Wenn du einen Tanzschritt urheberrechtlich schützen könntest, dann könnte niemand mehr den Fuß heben“, sagte der Stepptänzer Eddie Rector (1890–1962) einmal. Was dem Show-Urgestein unmöglich erschien, rückt heute nah an die Realität: Drei Personen haben in den USA den Hersteller des Computerspiels „Fortnite“ verklagt, weil dieser typische Tanzbewegungen von ihnen „gestohlen“ haben soll.Unter den „Emotes“ genannten Bewegungen, die Charaktere im Spiel gegen Gebühr freischalten können, findet sich der „Floss“, für den der 17-jährige YouTube-Star Russell Horning alias „Backpack Kid“ nun Urheberschaft beansprucht. Weiters eine Bewegung, die der Schauspieler Alfonso Ribeiro in der TV-Serie „Der Prinz von Bel-Air“ erstmals vorgeführt haben will, sowie eine Abfolge, die laut Klage vom Rapper 2 Milly abgekupfert ist.

Doch sind diese Bewegungen auch „Werke“, die urheberrechtlichen Schutz beanspruchen können? Abseits der juristischen Beurteilung führt der Streit vor Augen, wie rasch Kultur in der digital beschleunigten Gegenwart zerhackt und recycelt wird. Zahlreich sind die Fälle, in denen Songwriter auf Basis kurzer Tonfolgen des Plagiats beschuldigt wurden (zuletzt etwa Led Zeppelin oder Ed Sheeran). Nun sind auch Games und die Tanz- und Performancekunst dran, die lange Zeit als flüchtig und kaum fassbar galt.

Ausdruck von Gedanken

Aus rechtlicher Sicht hätten die Fortnite-Kläger zumindest in Österreich wenig Chancen, befindet der Urheberrechtsexperte Albrecht Haller im KURIER-Gespräch. Zwar schütze das Urhebergesetz ausdrücklich auch choreografische Werke, jedoch seien nicht einzelne Schritte Gegenstand des Schutzes, sondern „die mithilfe dieser Ausdrucksmittel vorgenommene Gestaltung von Gedanken zu einem Bühnenwerk“. Der – nach der mit Zahnseide ausgeführten Putzbewegung benannte – „Floss“ sei „ein Baustein, nicht ein Werk“ und daher wohl nicht schützbar, befindet Haller.

Allerdings hat die Bewegung starken Wiedererkennungswert – ebenso wie Michael Jacksons „Moonwalk“, die Geste, mit der sich Falco die Haare zurückstrich, oder die Körperhaltungen, die John Travolta in „Saturday Night Fever“ oder „Pulp Fiction“ vorzeigte.

Einen „Erfinder“ festzunageln, wird in vielen dieser Fälle ebenso schwierig sein, wie den Bezug zu einem „Bühnenwerk“ herzustellen. Sehr oft entstanden tänzerische Markenzeichen im Austausch zwischen Künstlern, die sich ihre besten Bewegungen gegenseitig abschauten und weiter entwickelten. Wie die Tanzhistorikerin Anthea Kraut schreibt, war diese besonders in der afroamerikanischen Populärkultur gängige Praxis immer schon schwer mit den Instrumentarien des Urheberrechts in Einklang zu bringen. Indem man den Tanz von Schwarzen – von Stepptanz und Lindy Hop bis zu Hip-Hop-Stilen – als Folklore ohne Urheber fasste, sei es stets leicht gefallen, sich afroamerikanische Kultur anzueignen.

Tanz-Transfer

Beispiele dafür reichen von Madonna und Travolta bis hin zum Choreografen Ric Silver, der 2004 beim US-Copyright-Office vorstellig wurde und behauptete, den Tanz „Electric Slide“ sowie die roboterartigen Breakdancebewegungen, die als „Popping“ und „Locking“ bekannt sind, erfunden zu haben. Letztere finden sich übrigens auch im Fortnite-Repertoire.

Der Austausch läuft jedoch durch alle Medien und Kulturniveaus hindurch – so musste sich Popstar Beyoncé vorhalten lassen, für ein Video bei der belgischen Choreografin Anna Teresa de Keersmaeker abgekupfert zu haben.

Diverse Sportler haben inzwischen die Fortnite-Tänzchen für ihre Jubelgesten am Feld entdeckt: denn auch diese sind Teil eines Images, das kurzvideotauglich gepflegt werden will.

Eine solche Bewegung als Marke schützen zu lassen, sei dabei durchaus möglich, erklärt Anwalt Haller. Allerdings muss die „Bewegungsmarke“ dazu dienen, eine Ware oder Dienstleistung hervorzuheben – die Darstellung der Bewegung selbst reiche als Zweck nicht.

Denkbar ist also, dass der Zahnseiden-Tanz oder Ronaldos Torjubel von bestimmten Anbietern zu Werbezwecken verwendet und anderen die kommerzielle Nutzung untersagt wird. Beim Tanzen die Füße zu heben, bleibt vorerst erlaubt. Doch die Zeit, in der nicht nur jedes gesprochene Wort, sondern auch jede Bewegung als Zitat sichtbar wird, ist wohl gekommen.

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