In der musikalischen Nische, die man „Americana“ nennt, ist ein neues Album von Gillian Welch und David Rawlings ein Großereignis: Seit 1996 setzen die beiden Musiker Maßstäbe darin, mit geringsten Mitteln – im wesentlichen zwei Gitarren, zwei Stimmen – große Welten und große Geschichten zu erzeugen. Wobei fast jeder Song des Duos so klingt, als wäre er immer schon da gewesen.
Auf dem neuen „Woodland“ ist das nicht anders, auch wenn in den Texten moderne Wörter wie „Hashtag“ vorkommen: Der dient hier als Sprungbrett zu einer Meditation über Verlust und Beständigkeit, anderswo erzählen Welch und Rawlings geradlinigere Geschichten.
Hintergrundgeschichte des Albums
Dramatisch ist auch die Hintergrundgeschichte des Albums, das nach jenem Studio in der Country-Metropole Nashville benannt ist, das das Paar 2002 erwarb. Bevor Welch und Rawlings das "Woodland Studio" für ihre eigenen Aufnahmen nutzten, nahmen Country-Größen wie Loretta Lynn und Doc Watson, aber auch Soul-Queen Aretha Franklin oder Neil Young, gewissermaßen der Pate des "Americana"-Sounds, dort auf.
Als 2020 ein Tornado durch Nashville fegte, wurde das Studio schwer beschädigt und überschwemmt, Decken stürzten ein. Welch und Rawlings waren eher zufällig vor Ort - wie sie dem New Yorker erzählten, mussten sie ihr gesamtes aufgenommenes Lebenswerk und ihre wertvollen Instrumente vor dem Sturm retten. Wenig später kamen auch noch die Corona-Lockdowns, die den Wiederaufbau bremsten. "Es geht auf dieser Platte definitiv um Verlust und zerstörung", sagte Rawlings im Magazin GQ. "Aber es geht auch um Erneuerung und darum, dass Dinge, die scheinbar tot sind, wieder neues Leben gewinnen."
Wie Bob Dylan wurde das Musikerpaar bereits mit Literaturpreisen ausgezeichnet, wie er können die beiden starke Bilder erzeugen, etwa im Opener „Empty Trainload of Sky“, in dem (vordergründig) nur ein Zug vorbeifährt. Die rätselhafte Leere wird mit Musik ausgefüllt, die niemals überladen ist, sondern vor Schönheit und Klarheit strahlt: Wie sich die Stimmen und die Gitarren ergänzen, wie die Essenz des Songs behutsam durch Instrumente verstärkt und getragen wird, kann eigentlich nur mit stiller Bewunderung genossen werden.
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