Als eines der Mädchen sie um Hilfe bittet, beschließt Sarah, zu handeln: „Das war natürlich beim Lesen meine große Projektion: Dass ich eine extreme Actionheldin spiele“, sagt Florentina Holzinger im KURIER-Gespräch und lacht: „Aber im Endeffekt ist Sarah eher eine Art Anti-Heldin, weil sie in dem reichen Haushalt in eine Art von Passivität verfällt und nicht weiß, wie sie mit der Situation dort umgehen soll. Wir wissen nicht genau, wie die Sache im Endeffekt ausgeht. Aber in jedem Fall ist es keine glorreiche Heldensaga.“
Wie Urlaub
Heldin oder nicht, ihre erste Filmrolle ist der 38-jährigen Wienerin leicht gefallen. Glaubt man Regisseurin Kurdwin Ayub, war für Holzinger der Dreh in Jordanien wie Urlaub. Tatsächlich fand sie es entspannend, einmal nicht, wie sonst bei den eigenen Inszenierungen üblich, für alles verantwortlich zu sein: „Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, mich auf das Kampfsporttraining fokussieren zu können und nicht an 50.000 anderen Projekten gleichzeitig zu arbeiten.“ Zudem kam ihr Ayubs improvisierte Art des Filmdrehens entgegen, „weil die Schauspielerinnen nicht allzu viel Text auswendig lernen müssen. Ich musste einfach in den Szenen, die die Regisseurin gebastelt hat, präsent sein und mit Situationen in dem Moment umgehen, in dem ich mit ihnen konfrontiert wurde.“ Um das Zusammenspiel möglichst authentisch zu gestalten, sollten sich die „Trainerin“ und ihre „Schülerinnen“ vor Drehstart nicht kennenlernen – „deswegen mussten wir beim Sightseeing aufpassen, dass wir uns in der Wüste nicht vor einer Höhle begegnen“, grinst Holzinger: „Ich habe die anderen Schauspielerinnen das erste Mal vor der Kamera getroffen.“
Jordanien selbst hat sie als „sehr liberal“ empfunden: „Dort gibt es auch Subkulturen und Techno-Clubs wie hier.“ Doch bevor Sarah ihre Reise dorthin antritt, wird sie von ihren Freunden in Österreich vor dem dort mutmaßlichen Kopftuchzwang gewarnt. Tatsächlich führt „Mond“ auf den ersten Blick direkt in das Klischee von der unterdrückten muslimischen Frau. Bevor Sarah ihre Reise nach Jordanien antritt, wird sie von ihren Freunden in Österreich umgehend vor dem dort mutmaßlichen Kopftuchzwang gewarnt. Tatsächlich führt „Mond“ auf den ersten Blick direkt in das Klischee von der unterdrückten muslimischen Frau. Valentina Holzinger sieht das differenziert: „Ich glaube, Kurdwin Ayub spielt, genauso wie ich in meiner Arbeit, stark mit Klischees und damit, dass sich Leute beim Ansehen ihrer Filme bei ihren eigenen Klischees ertappen. Für Sarah selber ist die Welt, in der sie in Österreich lebt, auch eine Art von Gefängnis. Ich glaube, Kurdwin fand es spannend, Dinge zu vergleichen und in gewisser Weise austauschbar zu machen. Es geht um Frauen in einer patriarchalen Welt und wie sie damit umgehen.“
Eigentlich hatte Florentina Holzinger nicht über ihre kontroversielle Oper „Sancta“ sprechen wollen, in der es um das Frauenbild der katholischen Kirche, weibliche Lust und (sexuelle) Gewalt geht. Aber weil wir gerade bei dem Vergleich zwischen Österreich und Jordanien sind: „Mit welcher Aggressivität die christlichen Fundamentalisten wegen ,Sancta’ auf mich losgehen, ist einfach unglaublich“, bricht es aus ihr heraus: „So etwas wird von der westlichen Welt völlig ignoriert. Es geht hier um ein Problem von Dogmatik und Fundamentalismus, das es überall gibt. Das ist bei uns nichts anderes als dort.“
Und ja, diesen direkten Vergleich traut sie sich zu ziehen: „Ich hätte vor ,Sancta’ Scheu davor gehabt. Aber nach den Erlebnissen jetzt sehe ich beides als stark miteinander verwandt. Erschreckend.“ Klar, ihre Performances seien darauf angelegt, es dem Publikum „nicht komplett einfach zu machen. Inhaltlich ist es keine Westend-Broadway-Show, sondern soll zum Denken anstoßen.“ Aber der Cyber-Hass und die Androhungen, die ihr jetzt weltweit entgegenschlagen, findet sie schockierend: „Deswegen haben wir bei den nächsten Shows Polizeischutz, meines Erachtens das Absurdeste überhaupt.“
Erfolg ist relativ
Obwohl Florentina Holzinger als prominente Performance-Künstlerin mit den Höhen und Tiefen des Erfolges vertraut ist, kann sie sich in die Situation des Scheiterns, wie es ihre Filmfigur Sarah erlebt, gut hineinversetzen. Erfolg sei ohnehin sehr relativ: „Erstens ist immer ein großer Zweifel da und zweitens ist man immer in einer prekären Situation. Als Tänzerin wurde einem lange gesagt, dass man Tanzen nur bis zu einem bestimmen Alter kann – und was macht man dann? Deswegen bin ich sehr zu Hause in extrem prekären Situationen, und so etwas wie Stabilität habe ich sowieso nicht. Ich habe mir das Gefühl abgewöhnt, dass ich Stabilität brauche.“ Insofern kann sie sich ein Arbeitsszenario, wie es Sarah erlebt, auch für sich vorstellen: „Würde mich eine Familie anfragen, einen Monat nach Jordanien zu kommen, um dort jemanden zu trainieren, würde ich es mir vielleicht wirklich überlegen“, schmunzelt Holzinger.
Aber noch ist es nicht so weit. Noch plant sie für ihr nächstes Projekt ein – sie lacht herzlich – Musical, in dem es um das Altern gehen soll; dafür castet sie gerade Personen zwischen 60 und 80: „Ich verwende das Genre und mache dann noch viele andere Dinge dazu. Eine halbe Stunde lang ist ein Musical mit Singen und Tanzen toll, aber dann braucht man etwas anderes.“
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