HeißkaltZum zweiten Mal ist die Volksoper nach 2015 (damals mit der „Lustigen Witwe“) bei den noch heuer vom einstigen Startenor Jorma Silvasti geleiteten Opernfestival quasi als Schlussakt (die Mailänder Scala war zuvor hier) zu Gast.
Das bedeutet: Hitze, Kälte, also heißkalte Bedingungen, die ein Zusammenrücken aller Beteiligten in der gigantischen Burg mit Platz für mehr als 2.000 Besucher notwendig machen. Und die Volksoper kann das sehr, sehr gut. Denn vom Requisiteur bis zum Vize-Direktor kann bei der Strauß-Operette jeder Statist sein. Im Orchester regieren nebst Dirigent Alfred Eschwé (nach einer Hitzewelle) bei der Generalprobe und bei der Premiere auch Schal und Mantel. Denn die Burg ist zwar überdacht. Die Historie hat aber in Form von nun überklebten Freiflächen deutliche Spuren hinterlassen.
Wie aktuell-kulturell auch die Volksoper, die mit minimalen Mitteln das Maximum aus einer (ausverkauften und umjubelten) Spielserie herausholt. „Ich gehe mit dem Schal auf die Bühne, der gehört einfach zur Rosalinde“, scherzt etwa die später zu Recht gefeierte Ursula Pfitzner, ehe sie „ihrem“ Gabriel von Eisenstein (bei alternierenden Besetzungen der herrlich komische Carsten Süss) vokal und ohne Schal die Leviten liest.
In den engen Gängen und Stollen (wer größer als 1,70 Meter ist, sollte sich ducken) der verwinkelten Burg wird währenddessen geschminkt, geföhnt und auch memoriert. Das Umziehen muss extrem schnell gehen; das Ballett hat mit Taschenlampen ausgeleuchtet seinen Auftritt aus dem Zuschauerraum. Anders als der köstliche Gefängnisdirektor Frank in Gestalt von Kurt Schreibmayer, der eine atemberaubend steile Metalltreppe herunter tänzeln darf. Vorsicht: Stöckelschuhe wie bei Anja Nina Bahrmanns fabelhafter Adele meiden solche Auftritte besser. Wie auch Robert Meyer als hinreißender Frosch von einem anderen Seitengang jede Art von Stage Diving verhindert.
VielsprachigMeyer selbst hat auch die „Lepakko-Fassung“ für Savonlinna erstellt. Soll heißen: Keine Pause nach dem zweiten Akt, gestraffte Dialoge im dritten Aufzug. Diese funktionieren bestens, denn die finnischen Übertitel scheinen im Gegensatz zu den verknappten, englischen ziemlich gut zu sein. Die Lacher aus dem Publikum – man sieht von kurzen Hosen bis zum Wintermantel so ziemlich alles – werden im Laufe des Abends immer lauter. Die Finnen (es sind auch viele Russen und Deutsche in der Aufführung) werden mit dem Wiener Schmäh warm.
GewitztDass dies bei ihnen gar nicht immer so Sitte ist, weiß auch Manuela Leonhartsberger als Prinz Orlofsky; den Ton aber gibt sowieso die Musik an.
Auch der schön singende Szabolcs Brickner als Alfred, der rollengemäß stotternde Jeffrey Treganza als Dr. Blind, der smarte Günther Haumer als Falke oder die so quirlige, gewitzte Mila Schmidt als Ida wissen das und werden am Ende wie alle mit Jubel und Getrampel gefeiert.
Für die Technik – man arbeitet mit wenig Requisiten und aufgrund der überdimensionierten Bühne auch mit Videoprojektionen – bedeutet dies: Zigarettenpause! Nach teils sehr anstrengender Nachtarbeit (Beleuchten geht bis drei in der Früh!) darf endlich gefeiert werden.
Bierig Gastgeber Jorma Silvasti ist bei der anschließenden Premierenparty im nahe gelegenen Museum von Savonlinna (allein die nicht nur für Fans sehr interessante Barbie-Sonderausstellung lohnt nebst all den Schiffsmodellen und zeitgenössischen Bildern einen Besuch) glücklich. Man überreicht einander Geschenke und stößt auch mit dem eigens etikettierten „Lepakko-Bier“ (schön fruchtig) an.
Für den Intendanten war die „Fledermaus“ seine letzte Premiere. Auf Silvasti folgt im Jahr 2020 der finnische Dirigent Ville Matvejeff, der von Szymanowskis „König Roger“ über „Carmen“ oder „La Traviata“ bis zu „Werther“ und Händels „Giulio Cesare“ vorerst nur auf Oper setzt. Ein weiteres Gastspiel der Volksoper in Savonlinna ist aber keineswegs ausgeschlossen.
Nur das Stage Diving sollte dann auch freiwillig sein.
Kommentare