Filmstart "High-Rise": Heitere Apokalypse

"High Rise" mit Tom Hiddleston
Ben Wheatley verflacht J. G. Ballards Dystopie zum hektischen Retro-Bilderrausch.

Dass Tom Hiddleston sowohl im Anzug wie auch mit nacktem Oberkörper einen schneidigen James Bond abgeben würde, lässt sich leicht anhand von Ben Wheatleys explodierender J. G. Ballard-Verfilmung "High-Rise" überprüfen. Wie aus dem Ei gepellt trägt Hiddleston da als Dr. Robert Laing sein smartes Designer-Outfit und bräunt seinen makellosen Leib am Balkon der neuen Wohnung. Dieser erfreuliche Anblick entgeht auch seiner schönen Nachbarin Charlotte (Sienna Miller) im Stockwerk über ihm nicht; umgehend wird er von ihr zu einer Party eingeladen.

Das Hochhaus als Sinnbild einer vertikal organisierten Klassengesellschaft hat schon Fritz Lang in "Metropolis" als Erzählmodell benutzt. Ganz oben, in den paradiesischen Dachgärten, wohnen die Reichen; je weiter abwärts es geht, desto ärmer die Bewohner.

Basierend auf Ballards dystopischem 70er-Jahre-Roman konzentriert auch Wheatley seine heitere Gesellschaftsapokalypse auf ein militärgraues Hochhaus. Errichtet im betonschweren Brutalismus-Stil, wächst das massive Gebäude wie ein Bunker aus dem britischen Niemandsland. Ganz oben residiert der elitäre Architekt und überblickt im luftigen Dachgarten sein Gebäude; unten hausen die kinderreichen Familien in lichtarmen Wohnungen. Manchmal treffen sich die Bewohner der unterschiedlichen Etagen im Swimmingpool, doch meist herrscht saubere Klassentrennung.

Beton-Moderne

Wheatley inszeniert den Hippie-Look seiner Figuren in den cremigen Farben der 70er-Jahre souverän inmitten einer abweisenden Beton-Moderne. Während die verarmten Mütter mit ihren Kinderscharen zur Anarchie aufrufen, sucht Dr. Laing in seiner kahlen Wohnung nach dem perfekten Grauton. Nachdem die Ressourcen – vor allem der Alkohol – zunehmend verknappen, bricht im Stiegenhaus der offene Klassenkampf aus. Im Supermarkt verschimmeln die Pfirsiche, Stromausfall bringt Lifte zum Stehen. Blut fließt, Penthaus-Partys verwandeln sich in Sex-Orgien.

"Wo Staatskapitalismus herrscht, wird es nie politische Freiheit geben", hört man die Stimme von Margaret Thatcher sagen. Der ABBA-Song "SOS" erklingt – allerdings in einer langsam-verzerrten Version von Portishead, der sich anhört wie ein Grabgesang.

In seinem aberwitzigen Zivilisationsfinale treibt Wheatley jedoch die hypermotorischen Bilder sehr früh in einen ästhetischen Retro-Rausch hinein, der sich bald nicht mehr steigern lässt. Die Fulminanz seiner Farce gerät in Endlosschleife, die Figuren zerbrechen zu Karikaturen. Anstelle von Eskalation tritt Stagnation – und schließlich Ermüdung – ein.

High-Rise. GB/BE 2015. 119 Min. Von Ben Wheatley. Mit Tom Hiddleston, Jeremy Irons.

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