„Das wäre eine schöne Anerkennung meiner Arbeit gewesen“, sagt die Regisseurin und Cutterin Elke Groen auf KURIER-Nachfrage am Telefon. „Ich habe mich nach 15 Jahren wieder auf einen Langfilm eingelassen, der eineinhalb Jahre nicht finanziert war. Aber das war es mir wert. Durch die Einladung, die Diagonale zu eröffnen, kam die Anerkennung. Und dann war sie wieder weg. Das war schon ein bisschen hart. Aber man muss das natürlich in Relation sehen: Es ist etwas anderes, wenn man – wie viele – existenziell bedroht wird, als wenn man auf eine Filmpremiere verzichten muss.“
Zwar werden ab heute 45 Filme aus dem aktuellen Diagonale-Programm für einen Monat als Stream zur Verfügung gestellt (Infos auf www.diagonale.at), aber Groens Doku ist nicht darunter. „Prinzipiell habe ich nichts gegen das Streamen“, meint die 1969 in Bad Ischl geborene Regisseurin, die in Wien Fotografie und Architektur studierte. „Ich glaube aber, es wäre für diesen Film nicht passend gewesen. Ich möchte die Menschen im Kino erleben, und ich finde es spannend, wenn im Anschluss an den Film sofort diskutiert werden kann. Das fehlt mir beim Streamen.“
„Der schönste Patz auf Erden“ ist Pinkafeld, eine Stadtgemeinde mit 5.823 Einwohnern im Burgenland und Heimatort von FPÖ-Politiker Norbert Hofer. „Sogar der sozialistische Bürgermeister wählt den Hofer“, verrät ein Einwohner das Wahlverhalten seiner Landsleute – bei der Bundespräsidentenwahl.
Elke Groens vielseitiges Filmwerk umfasst Dokus wie „Jeder siebte Mensch“ (gemeinsam mit Ina Ivanceanu) und Filmschnitt (beispielsweise Sebastian Brameshubers „Und in der Mitte, da sind wir“), aber auch charismatische Arbeiten im Experimentalfilmbereich wie „NightStill“ oder „Optical Sound“.
„Der schönste Platz auf Erden“ war ursprünglich als Kurzfilm über die Wiederholung der Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember 2016 geplant. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Pinkafelder bereits die Nase voll von Kamerateams aus aller Welt und wollten mit niemandem mehr reden. Doch Groen erklärte ihr Konzept, mit Leuten aus polarisierten Lagern über ihre Wünsche und Ängste diskutieren zu wollen – und fand Anklang. „Die Menschen dort sind sehr offen“, so die Filmemacherin über ihre Pinkafelder Protagonisten, die sie letztlich über drei Jahre lang – über die Ibiza-Krise hinweg – mit der Kamera begleitete und mit denen sie aktuelle politische Entwicklungen diskutierte. Eine junge Bäuerin kommt ebenso zu Wort, wie SPÖ-Politiker, Gastwirte und ein Disco-Besitzer.
Auch eine syrische Flüchtlingsfamilie wird befragt – und es ist beeindruckend zu beobachten, wie schnell sich innerhalb der drei Dreh-Jahre deren Deutsch verbessert und ihr Leben im österreichischen Umfeld Fuß fasst. „Das ist auch eine Dokumentation über einen Integrationsprozess, der vorbildlich vor sich ging“, sagt Groen mit Verweis auf die Pinkafelder Flüchtlingshilfe Pink-up: „Besser kann man es nicht machen.“
„Der schönste Platz auf Erden“ rollt ein Stück österreichische Zeitgeschichte auf, das sich im Lichte der jüngsten Corona-Ereignisse fast schon wieder ein bisschen historisch anfühlt. „Ich glaube, wenn sich unser Leben wieder normalisieren wird und die Politik zu ihrem Alltag zurückkehrt, wird mein Film wieder Relevanz haben“, hofft Elke Groen. „Und sonst ... ist er eben ein historisches Dokument ...“ – lacht herzhaft – „... ein halbes Jahr später!“ Aktuell aber hätte sie eine Idee für einen Film über das Coronavirus, in dem es vor allem darum ginge, wie man mit der Angst umgeht.
Und was für sie „Der schönste Platz auf Erden “ ist?
„Ein Ort, mit dem man sich verbunden fühlt“, sagt Elke Groen. „Das kann Heimat sein, muss aber nicht.“
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