Filmproduzent Pleskow zum 95er: „Das ist meine Rache an Hitler“

Filmproduzent Pleskow zum 95er: „Das ist meine Rache an  Hitler“
Der aus Wien vertriebene legendäre Filmproduzent Eric Pleskow wird am 24. April 95 Jahre alt. Im Interview spricht er über Rocky, Woody Allen und ein abwechslungsreiches Leben.

Zu Beginn des KURIER-Gesprächs anlässlich seines 95. Geburtstags wirkt Eric Pleskow ein wenig grantig. Grund dafür ist die Diagnose seines Arztes, der ihm kurz davor einen Routine-Besuch abgestattet hat.

„Er meint, ich hätte den Geist eines 20-Jährigen im Körper eines 90-Jährigen“, stellt der Jubilar hörbar missmutig fest. Und weiter: „Der Geist eines 30-Jährigen im Körper eines 80-Jährigen wäre mir lieber gewesen!“

Filmhitproduzent

Aus diesem Nachsatz blitzt das hervor, was Eric Pleskow immer schon ausgezeichnet hat: sein Humor. Nur wenige Menschen außerhalb des Filmgeschäfts wissen, wer Eric Pleskow ist, aber Millionen von Menschen kennen die Filme, die er produzierte. Wie unter anderem „Rocky“, „Einer flog über das Kuckucksnest“, „Der Stadtneurotiker“, „Amadeus“, „Der mit dem Wolf tanzt“ und „Das Schweigen der Lämmer“.

Filmproduzent Pleskow zum 95er: „Das ist meine Rache an  Hitler“

Eric Pleskow war es auch, der als Präsident des amerikanischen Filmstudios United Artists Anfang der 1960er-Jahre mit den Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman per Handschlag die legendäre „James Bond“-Filmreihe besiegelte. Ende der 1970er-Jahre verließ Pleskow die United Artists und gründete die Orion Pictures: „Ich bin nur durch eine Kette von Zufällen zu einem kleinen Mosaikstein der internationalen Filmgeschichte geworden. Hätte ich Österreich nicht fluchtartig verlassen müssen, dann wäre ich in Wien wahrscheinlich als Arzt tätig gewesen und längst in Pension“.

Auf der Flucht

Zum Film kam der gebürtige Wiener tatsächlich durch einen sehr geschichtsträchtigen Zufall. Nachdem er als 15-Jähriger im Jahr 1939 gerade noch rechtzeitig mit seinen Eltern vor dem Nazi-Regime über Frankreich nach New York flüchten konnte, wurde er gegen Ende des Zweiten Weltkriegs vom US-Militär zum Intelligence Officer ausgebildet.

Im Alter von 21 Jahren wurde er nach München geschickt, um dort als Filmoffizier für Bayern die Produktionen aus der Nazi-Ära nach Propaganda-Machwerken zu durchforsten und zur Belebung einer neuen deutschen Filmindustrie die „Bavaria“-Filmstudios aufzubauen. Der forschen Art, mit der Eric Pleskow dieser Aufgabe nachging, setzte Billy Wilder in „Eins, Zwei, Drei“ ein filmisches Denkmal. Aus dem Filmstudio- Chef wurde der Boss der deutschen Niederlassung des Coca-Cola-Konzerns, gespielt von James Cagney, der Pleskows nie ganz ernst gemeinten Kommandoton trefflich parodierte. Die United Artists und die Orion Pictures waren während Pleskows Tätigkeit übrigens auch die ersten US-Firmen, die Geld in nicht-englischsprachige Filme investierten. Ohne Pleskow hätten viele der europäischen Meisterwerke von Fellini, Pasolini, Bertolucci und Truffaut nicht entstehen können – wie etwa „1900“, „Die 120 Tage von Sodom“, „Satyricon“, oder „Der letzte Tango“, um nur einige zu nennen.

Andere Zeiten

Befragt nach der #MeToo-Debatte, zeigt sich Pleskow empört. Vorfälle wie jene rund um Harvey Weinstein hätte er bei United Artists und bei Orion nicht geduldet. Eher, so erinnert er sich amüsiert, wäre er „Opfer“ diverser Annäherungen gewesen. Unter den vielen Geschichten, die Pleskow diesbezüglich erzählen kann, ist auch die über eine heute noch berühmte Schauspielerin, die versuchte, ihn von sich als geeignete Hauptdarstellerin in einem seiner nächsten Filme zu überzeugen. Sie kam im Pelzmantel in sein Büro und ließ ihn, nachdem die Sekretärin das Zimmer verlassen hatte, plötzlich fallen und stand splitternackt da.

KURIER: Was haben Sie damals gesagt? Und hat sie die Rolle bekommen?

Eric Pleskow: Zuerst war ich das, was man auf Wienerisch „schmähstad“ nennt. Und dann hab’ ich zu ihr gesagt: Es ist besser, Sie ziehen den Mantel wieder an, meine Heizung ist gerade kaputt. Die Rolle hat sie übrigens bekommen – dafür, dass sie den Pelzmantel wieder angezogen hat (lacht).

Unter den meist künstlerisch anspruchsvollen Filmschaffenden, mit denen Sie zusammengearbeitet haben – wie Woody Allen, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola, Milos Foreman oder Federico Fellini –, sticht Sylvester Stallone heraus. Was hat Sie am Boxer-Film „Rocky“ interessiert?

Stallone hat ja schon vorher in einem der von mir produzierten Filme gespielt. In „Bananas“ von Woody Allen. Aber darin hatte er nur eine Mini-Rolle. Ich habe ja übrigens auch Arnold Schwarzenegger die erste Chance seiner Hollywood-Karriere gegeben. Das war 1976 in „Stay Hungry“.

Sie haben insgesamt 14 Oscars für beste Filme gewonnen. Ist Ihnen dieser Erfolg jemals zu Kopf gestiegen?

Oja, schon. (lacht) Und vergessen Sie nicht zu erwähnen, dass ich mich noch heute dafür täglich bewundere. Darum habe ich auch neun davon meiner Tochter gegeben – sonst wird meine Ehrfurcht vor mir zu groß.

Warum ist unter den fünf Oscars, die Sie behalten haben, ausgerechnet der für „Rocky“?

Der ist mir einmal runtergefallen, seither steht er nicht mehr gerade und deshalb wollte ihn meine Tochter nicht. Für mich ist er genau richtig: Er ist nicht mehr der Jüngste, ziemlich ramponiert – so wie ich –, aber er kann noch stehen, noch dazu ohne Stock.

Wie ist es zu erklären, dass hinter so vielen unterschiedlichen Filmen, die Sie produziert haben, ein und dasselbe „Mastermind“ steckt?

Mir war es immer wichtig, dass ich mir nicht selber fad werde. Und nichts ist langweiliger, als immer wieder das Gleiche zu machen. Mit Woody habe ich allerdings rund 20 Filme gemacht, aber da ich während seiner Dreharbeiten das Set sowieso nicht betreten durfte, konnte ich gar nicht kontrollieren, ob er sich wiederholt. Er war in seinen Anfängen ziemlich schwierig. Solange er für mich gearbeitet hat, wollte er nie Interviews geben, und ich habe das respektiert.

Was würden Sie als das größte Glück in Ihrem Leben bezeichnen?

Dass meine Eltern und ich uns vor den Nazis retten konnten. Dass ich noch lebe und Kinder und Enkelkinder habe – das ist meine Rache an Hitler.

Ehrenbürger und Präsident

Seit 1998 ist Eric Pleskow – inzwischen auch Ehrenbürger von Wien und Träger des Großen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich – Präsident des Wiener Filmfestivals Viennale. Der damalige Kulturstadtrat Peter Marboe hatte ihn dazu ernannt, um die Leitung weitgehend unabhängig von politischen Einflüssen zu halten. Um dieser Aufgabe möglichst lange nachkommen zu können, peilt er als nächstes seinen 100. Geburtstag an.

Von Gabriele Flossmann

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