Filmkritik zu "Vice - Der zweite Mann": Zweiter nur in puncto Moral

Christian Bale als Dick Cheney (li.) und Sam Rockwell als George Bush jr.
Der Brite Christian Bale ist oscarreif in der großartigen Rolle als US-Vizepräsident Cheney.

Eigentlich ist sie an allem schuld: Lynne Cheney setzte ihrem Dick, als er wegen Sauf- und Prügelexzessen von der Uni geflogen war, das Messer an. Entweder er ändere sich und mache was aus sich oder sie sei – so schnell könne er gar nicht schauen – eine Staubwolke. Leider, muss man in der Rückschau seiner unrühmlichen Taten sagen, kratzte Cheney für seine äußerst zielstrebige Gattin die Kurve und wurde einer der skrupellosesten Karrieristen Washingtons.

Adam McKays episches, über zweistündiges Biopic über Dick Cheney ist großartig in seiner unverblümten Darstellung eines ruchlosen, intellektuellenfeindlichen Mannes, der immer nur eines vor Augen hatte: seinen eigenen Aufstieg, Geld und Macht. Eine dicke Spinne, die sich im dichten Bürokratennetz der US-Hauptstadt festsetzt und geschickt die Fäden zieht. Anfangs Wasserträger des skrupellosen Abgeordneten und späteren Verteidigungsministers Donald Rumsfeld, arbeitete sich Cheney zum jüngsten Stabschef des Weißen Hauses unter Gerald Ford empor. Ab 1989 war er Verteidigungsminister unter George Bush senior und schließlich unter dessen Sohn, dem nicht gerade am US-Präsidentenfirmament glänzenden George Bush junior, Vizepräsident.

Acht Jahre lang übte Cheney das Amt aus, von 2001 bis 2009, und irgendwie beschleicht einen im Lauf des Films das Gefühl, da habe einer die Entwicklung in der republikanischen Partei antizipiert. Cheney strebte nach absoluter Macht und Kontrolle, vor allem Kontrolle über die Medien. Wer nicht tat, was er wollte, wurde ruckzuck abserviert. Wer ihn kritisierte, kaltgestellt. Der einzige signifikante Unterschied zum machtbesessenen Narziss Trump, der heute im Weißen Haus sitzt: Cheney konnte sich nicht inszenieren. Er war rhetorisch unbegabt und scheute den großen Auftritt. Lieber war er der Judas im Hintergrund.

Bulldozer

Christian Bales Verwandlung in den massigen, unsensiblen und stets fokussierten Vizepräsidenten ist verblüffend. Nicht nur, dass Bale – wieder einmal –für eine Rolle über 20 Kilogramm zunahm, hat er auch den undeutlichen, aber stets schneidenden Sprachgestus des Mannes aus Lincoln, Nebraska verinnerlicht. Wie ein Bulldozer manövriert er sich durch die Gänge des Weißen Hauses und zieht seine Agenda in machiavellistischer Manier durch. Auf seine Initiative hin zettelten die USA 2003 den Irak-Krieg an. Cheney hatte Geheimdienstberichte veröffentlichen lassen, wonach Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitze. Eine Lüge, wie sich später herausstellte.

Regisseur McKay, der zuletzt in „The Big Short“ auf beißende Art die Machenschaften der Finanzindustrie erhellte, legt den Schluss nahe, dass „Schattenmann“ Dick Cheney und seine Getreuen die Wegbereiter der aktuellen Moralbefreiung im Weißen Haus waren. Für ihn ist Donald Trump nur die logische Folge von Cheneys Skrupellosigkeit.

„Vice“ bietet bissiges und entlarvendes Entertainment, das einen zugleich erschaudern und lachen lässt. Besser kann man Politik nicht beschreiben.

INFO: USA 2018. 126 Min. Von Adam McKay. Mit Christian Bale, Amy Adams, Sam Rockwell, Steve Carrell.

Filmkritik zu "Vice - Der zweite Mann": Zweiter nur in puncto Moral

Amy Adams als Lynne Cheney mit ihrem Mann Dick

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