Filmkritik zu "Vergiftete Wahrheit": Tödliche Teflon-Pfanne
Die Teflon-Pfanne ist ein Bestseller des amerikanischen Chemiekonzerns DuPont: „Besser leben mit Chemie!“ lautet der Slogan seiner Werbekampagne.
Während der Bräter mit der Antihaftbeschichtung weltweit beworben wird, lässt der Hersteller DuPont ein entscheidendes Detail unter den Tisch fallen: Die Chemikalie PFOA zur Herstellung von Teflon ist hochgradig giftig.
Zufällig erhält der Anwalt Robert Bilott im Jahr 1999 einen Hinweis – und kommt einem unfassbaren Umweltskandal auf die Spur.
Vergiftete Wahrheit
Ein Stoff, den das Kino liebt – und das Publikum auch: Der Einzelne im Kampf gegen einen Großkonzern. Schon Julia Roberts begeisterte als Anwaltsgehilfin „Erin Brokovich“ und deckte den Umweltskandal einer skrupellosen Firma auf.
Todd Haynes, einer der herausragenden Regie-Stilisten seiner Generation („Far from Heaven“, „Carol“), erzählt – basierend auf einem Artikel aus der New York Times – unnachgiebig und herzzerreißend vom Kampf Bilotts gegen den landesgrößten Chemiekonzern.
Dabei wollte Bilott den Auftrag zuerst gar nicht annehmen, den ihm ein rabiater Wutbauer namens Wilbur Tennant ans Herz legt.
Dessen Hof liegt in Parkersburg, West Virginia, und grenzt an eine illegale Mülldeponie von DuPont. Giftige Abfallstoffen werden in den Ohio River geleitet, deren Auswirkungen der Bauer bald zu spüren bekommt. Seine Kühe drehen durch, ihre Zähne verfärben sich, ihre Organe quellen auf.
Die gesamte Farm gleicht einem Tierfriedhof.
Widerstrebend stattet Bilott dem Bauern einen Besuch in Parkersburg ab, wo die Bewohner ein ungesundes Aussehen zeigen. Manche haben nur ein Nasenloch, viele leiden an Krebs.
Zu den sehnsuchtsvollen Klängen von John Denvers berühmter Heimatballade „Take Me Home, Country Roads“ lässt Haynes’ kongenialer Kameramann Ed Lachman den Blick über die Straßen der Industriestadt und ihre Einwohner schweifen: „Almost Heaven, West Virginia“, singt Denver, während ein Mädchen auf dem Fahrrad in die Kamera grinst und seine blauen Zähne zeigt.
Wenn so der Himmel aussieht, braucht es keine Hölle.
Kein kurzer Prozess
Robert Bilott übernimmt schließlich doch den Fall. Was zuerst nach kurzem Prozess aussieht, zieht sich über 13 Jahre. Kinder werden geboren, Menschen sterben.
Mark Ruffalo, exzellent als melancholischer Anti-Star-Anwalt, scheint immer mehr einzuschrumpfen. Sein Vorgesetzter kürzt sein Gehalt, seine Ehe droht zu zerbrechen. Und noch immer ist es zu keiner Einigung mit DuPont gekommen.
Todd Haynes verzichtet auf dramatische Höhepunkte, die üblicherweise mit Gerechtigkeitsthriller und Gerichtssaaldramen einhergehen. Weder kommt es zu geschliffenen Dialogduellen, noch zu großen emotionalen Showdowns. Stattdessen spiegelt er eine Stimmung der Ungewissheit und der Depression wieder, die sich wie ein trauriger Schleier über die fantastischen, traumtänzerischen Bilder legt. Eisiges Blaugrau beherrscht eine Außenwelt, in der jahrelang nur Winter zu sein scheint. Ein gelbliches Licht bestimmt die Innenräume und lässt auch hier kaum Behaglichkeit zu. Todd Haynes und Ed Lachman erzählen ihren Verschwörungsthriller in der Ära von Donald Trump als eine Farbenlehre der Kälte – düster, packend und paranoid.
INFO: USA 2019. 126 Min. Von Todd Haynes. Mit Mark Ruffalo, Anne Hathaway.
Filmkritik zu "Mrs. Taylor's Singing Club": Weiblicher Gesang mit Spitzentönen
Wie in seinem Kino-Hit „Full Monty – Ganz oder gar nicht“ (1997) folgt Regisseur Cattaneo auch hier der (meist) sicheren Formel: Der Weg von Außenseitern zum Triumph – begleitet von trockenem Witz.
Auch in diesem Film tut sich eine skurrile Mischung der Spezies Mensch zusammen, um bisher unerforschte Talente zu nutzen und als Sieger auf einem Sockel zu stehen. In dieser, von einer wahren Begebenheit inspirierten Story versuchen zwei Frauen, einem weiblichen Chor die nötigen Spitzentöne zu entlocken, um in der legendären Royal Albert Hall in London auftreten zu können.
Mrs. Taylor's Singing Club
Der gemeinsame Nenner der singenden Damen: Ihre Ehemänner kämpfen als Soldaten im Afghanistan der frühen Nullerjahre. Die Chorleiterin ist Kate – überzeugend: Kristin Scott Thomas – die für die Ablenkung ihrer „Kameradinnen“ sorgen soll. Die Choristinnen lassen sich mit wenigen Worten beschreiben: die schüchterne Waliserin mit einer Engelsstimme, der dreiste Fußballfan mit starkem Akzent, die nicht bekennende Lesbe, die Nervensäge, die ihre Sandkasten-Liebe geheiratet hat. Aus dem dissonanten Vielklang – der für ganz nette Gags sorgt – entsteht ein Einklang, der auf Dauer einschläfernd wirkt.
Das angestrebte emotionale Crescendo scheitert an der simplen Melodie.
Text: Gabriele Flossmann
INFO: GB 2020. Von Peter Cattaneo. Mit Kristin Scott Thomas, Sharon Horgan.
Filmkritik zu "Robolove": Sehnsucht nach Robotern, jung und weiblich
Auf den ersten Blick sehen die zwei jungen Japaner aus wie ein verliebtes Pärchen, das gemeinsam Tee trinkt. Erst auf den zweiten Blick trübt sich das Bild. Die Frau ist seltsam bleich. Zudem trägt sie eine Narbe am Hals, die sie verrät: Sie ist kein lebendiger Mensch, sondern ein menschenähnlicher Roboter. Sie kann lächeln, mit den Augen blinzeln und dem Kopf nicken.
Robolove
„Ich arbeite an einer künstlichen Ewigkeit“, erklärt ihr „Besitzer“: „Menschen verlassen uns, werden untreu, sterben und verschwinden auf immer.“
Der Roboter aber bleibt.
Maria Arlamovsky hat eine kompakte, formschöne Doku über das endlos faszinierende Verhältnis Mensch-Maschine gedreht. Weltweit führende Roboter-Hersteller, Humanoid-Designer, Wissenschafter und Künstler zwischen Osaka, den USA und Barcelona diskutieren ihre Strategien, Androide mit größtmöglicher Menschenähnlichkeit herzustellen.
Beliebtes Stichwort: „Einsamkeit“. Nachdem die (europäische) Bevölkerung immer älter wird, vereinzeln die Alten zunehmend. Warum ihnen also nicht einen Roboter zum Zeitvertreib ins Haus stellen? Eine Anbieterin erzählt mit bewegter Stimme, wie sie einem alten Witwer einen Roboter im Gestalt seiner verstorbenen Frau anfertigen ließ.
Es wird nicht weiter verwundern, dass die Nachfrage nach Androiden in Gestalt junger, weißer Frauen am größten ist. Drei spanische Sexarbeiterinnen fürchten bereits um die Zukunft ihrer Jobs, während sie ein Video von Sexmaschinen beim „Geschlechtsakt“ beobachten: „Die Klitoris sieht total echt aus.“
Aber auch der Traum vom ewigen Leben ist längst nicht ausgeträumt. Wann immer ein Mensch stirbt, verbrennt eine ganze Bibliothek, räsoniert ein US-Forscher. Wie wäre es, wenn wir unseren gesamten „Erfahrungsdaten“ hochladen und in einem Computer speichern könnten, der noch dazu menschenähnliches Aussehen hat?
Die einen träumen von der Unsterblichkeit, die anderen von billigen Arbeitskräften oder perfekten Beziehungen. In Maria Arlamovskys konziser, fesselnder Doku kommen alle zu Wort – auch die Androiden: „Was ist deine Lieblingsspeise?“ – „Strom.“
Text: Alexandra Seibel
INFO: Ö 2019. 79 Min. Von Maria Arlamovsky. Mit Hiroshi Ishiguro, Takeshi Mita, Bruce Duncan.
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