Filmkritik zu Ulrich Seidls "Rimini": Zwischen Glanz und Elend

Hassliebe: Tessa Göttlicher und Michael Thomas in „Rimini“
Richie Bravo hat schon bessere Tage gesehen. Doch wenn er zum Mikro greift und mit Schmelz in der Stimme seine Melodien anstimmt, werden die Herzen weich. Meist sind es ältere Damen, die dem abgehalfterten Ex-Schlagerstar begeistert zujubeln. Auch nach seinen Auftritten in schütter besuchten Hotelhallen verwöhnt er sein weibliches Klientel – mit sexuellen Diensten, für die er Geld kassiert. Großartig: Inge Maux und Claudia Martini als liebeshungrige Fans.
Und das alles in Rimini im Schnee. Bekannt als sommerliche Partymeile mit pulsierendem Nachtleben, sieht Rimini im Winter anders aus. Verlassen und verschneit, mit schlafenden Obdachlosen und Asylwerbern an den Straßenrändern, entfaltet es im frostigen Nebel eine eigenwillige Schönheit.
Nach längerer Pause hat Ulrich Seidl, bekannt für seine provokanten Blicke in die Abgründe der österreichischen Seele, ein überraschend zärtliches Männerporträt zwischen Glanz und Elend vorgelegt. Trotz seines schmierigen Auftretens wird Michael Thomas in seiner hingebungsvollen Rolle als Richie Bravo nie gänzlich unsympathisch: Noch in den banalsten Glücksversprechen („Emilia, du hast mein Herz gestohlen“) lässt er so etwas wie Wahrhaftigkeit aufflackern.
Liebevoll folgt Seidl seinem scheiternden Anti-Helden durch die Schlaglöcher seiner versinkenden Karriere und konfrontiert dessen innige Musikauftritte als „Schlagerstar“ mit der winterlichen Kälte seiner Lebensrealität. Diese verschärft sich unversehens, als Richies Tochter auftaucht und ihren Vater dazu zwingt, mehr Geld zu verdienen.
INFO: Ö 202 2. 116 Min. Von Ulrich Seidl. Mit Michael Thomas, Claudia Martini, Hans-Michael Rehberg.

Ulrich Seidls "Rimini": Michael Thomas als Richie Bravo im Schnee
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